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Gaia-X: Noch kein breites Interesse an einer europäischen Cloud-Infrastruktur

Die Begeisterung am Aufbau einer europäischen Cloud- und Dateninfrastruktur ist über Corona etwas verklungen, die Fördermittel des Bundes sind vorerst versiegt. Und doch stößt Gaia-X mit 46 Prozent laut Bitkom immer noch auf breites Interesse in der deutschen Wirtschaft.     

Ob 46 Prozent viel sind, ist immer eine Frage der Einstellung. Für die einen ist das Glas damit halb voll, für die anderen halb leer. Tatsächlich ist Gaia-X, die „Gebärende“ mit dem X an der Seite, auf dem Digital-Gipfel 2019 in Dortmund erstmals vorgestellt, noch gar nicht so lange auf der Welt. Und so kann man bei 46 Prozent, so wie der Branchenverband Bitkom, schon von einem „breiten Interesse“ sprechen.

Maßgeblich von Vertretern der deutschen und französischen Wirtschaft auf den Weg gebracht, soll Gaia-X Europa mit Elementen wie offenen Standards und Open Source digital souveräner machen, um zu einer leistungs- und wettbewerbsfähigen, sicheren und vertrauenswürdigen Cloud- und Dateninfrastruktur zu kommen.

Kein Konkurrenzprodukt zu AWS und Co.

Dabei sieht sich Gaia-X keineswegs als Konkurrenz zu den großen Hyperscalern wie Amazon und Microsoft Azure, die laut Golem zusammen rund 80-Prozent des Marktes für Infrastructure-as-a-Service bestreiten und immer größer werden. Denn zu den neuesten Mitgliedern der Gaia-X Association gehören unter anderem Microsoft, Alibaba, Amazon und Google. Was das Interesse in Deutschland vielleicht etwas gedämpft hat, sind andere Sorgen und in der Coronakrise wichtigere Vorhaben.

Abgesehen davon kommen viele Unternehmen kaum um AWS und Co. herum, wenn sie ihre IT-Services immer mehr in die Cloud verlagern. Erschwerend kommt noch hinzu, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, das Gaia-X erst großzügig unterstützt hat, die Förderung laut WirtschaftsWoche vorerst ganz aus den Haushaltsmitteln gestrichen hat. Dabei sollen laut Bitkom noch in diesem Jahr die ersten auf Gaia-X basierenden Produkte und Angebote auf den Markt kommen. Hinzu kommen Programme, wie die zur Förderung von IPCEI-CIS-Projekten, die dazu dienen sollen, Kapazitäten von Cloud- und Edge-Computing in der EU zu stärken.

„Gemeinsames europäisches Handeln“

Aber nun zu den Ergebnissen der Bitkom-Umfrage, denen zufolge eben fast die Hälfte der deutschen Unternehmen ab 20 Beschäftigten mehr oder weniger großes Interesse an Gaia-X hat. Jedoch haben bis dato nur 14 Prozent der Befragten eigene Gaia-X-konforme Dienste fest in der Planung, 32 Prozent können es sich zumindest vorstellen. Für 43 Prozent ist Gaia-X derzeit aber noch kein Thema, so die Ergebnisse der Umfrage bei 604 Unternehmen im Auftrag des Digitalverbands Bitkom.

„Die europäische Wirtschaft und insbesondere die Industrie brauchen hochperformante, sichere und vertrauenswürdige Technologien und Angebote im Bereich Cloud, Edge und Daten. Gaia-X und damit zusammenhängende Projekte leisten hier einen strategisch wichtigen Beitrag“, so Bitkom-Präsident Achim Berg zum Auftakt des zweijährigen Jahrestages des am 4. Juni 2020 vorgestellten deutsch-französischen Projekts. „Gemeinsames europäisches Handeln ist ein zentrales Erfolgskriterium für die Stärkung der digitalen Souveränität und der digitalen Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft“, fährt Berg fort.

Große Unternehmen sind laut der Bitkom-Umfrage stärker an der Nutzung von Gaia-X interessiert als kleinere. So haben bei den Großen mit 100 bis 499 Beschäftigten 18 Prozent schon feste Pläne, 37 Prozent Interesse, während es bei den Betrieben mit bis zu 99 Arbeitskräften nur 12 respektive 32 Prozent sind.

Berg zufolge ist es daher wichtig, dass die Projekte konkrete Mehrwerte bringen, damit Gaia-X sich auf dem Markt durchsetzen kann. Die Vorteile, die er sieht, liegen unter anderem in mehr Resilienz und darin, die digitale Souveränität in der EU zu erhöhen.

Was Unternehmen wichtig ist bei Gaia-X

Die drei wichtigsten Kriterien für die Nutzung von Gaia-X-konformen Diensten, die befragte Unternehmen sehen, sind der Reihe nach Compliance und Rechtssicherheit im Datenschutz (55 Prozent), hohe Standards bezüglich der IT-Sicherheit (51 Prozent) und ein souveräner, vertrauensvoller Datenaustausch (46 Prozent). Ein mit den Produkten der Marktführer vergleichbarer Funktionsumfang ist den Unternehmen dagegen mit 30 Prozent weniger wichtig. Gleiches gilt auch für ein sicheres, souveränes Identitätsmanagement, einen einfachen Anbieterwechsel und eine höhere Produktattraktivität durch die Gaia-X-Zertifizierung, die jeweils nur weniger als ein Viertel der Zustimmung bekamen. Imagegewinne sehen nur 12 Prozent der befragten Unternehmen, bessere Preise 10 Prozent.

Fazit: Gaia-X ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung, hat aber wahrscheinlich auch über Corona und viele wichtigere Projekte noch nicht die Popularität erlangt, die der gebärenden Göttin der Erde zustehen würde. Viele Unternehmen standen vor der Pandemie ja auch erst am Anfang der Digitalisierung und der Cloud-Nutzung. Und da ging es oft darum, praktisch aus dem Nichts ganz schnell Infrastrukturen hochzuziehen, die es erforderten, zunächst einmal auf Bewährtes aus der Amazon- oder Microsoft-Cloud zu vertrauen, bevor man es wagen konnte, neue Wege zu gehen. Die großen Platzhirsche haben aber das Problem, dass sie amerikanischen Gesetzen unterstehen und im Zweifel Kundendaten an die Behörden weitergeben müssen. Und das wiederum ist ein gutes Argument für eine starke und souveräne europäische Cloud, wie sie Gaia-X vorsieht.

Quelle Titelbild: Adobe Stock / vectorfusionart

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