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Redaktion Digital Chiefs
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Zum BeitragMit starker Politprominenz, die wie Bundeskanzlerin Angela Merkel digital zugeschaltet war, haben Fraunhofer und IBM im Juni 2021 in Ehningen bei Stuttgart den mit 27 Qubits derzeit leistungsstärksten Quantencomputer Europas enthüllt.
Quantencomputer oder Quantenprozessoren gibt es theoretisch schon sehr lange, aber erst seit etwa 2018 investieren Technologieunternehmen, Regierungen und Forschungsorganisationen wie die Fraunhofer-Gesellschaft in die Entwicklung dieser Systeme. Die deutsche Bundesregierung hat dafür im Mitte 2020 vorgelegten Corona-Konjunkturprogramm zwei Milliarden Euro vorgesehen.
Folglich ließen es sich Merkel, Bundesforschungsministerin Anja Karliczek und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann auch nicht nehmen, am 15. Juni wenigstens digital bei der Enthüllung des ersten IBM Quantum System One in Ehningen bei Stuttgart dabei zu sein. Dieser ist mit 27 Qubits der bisher leistungsstärkste Quantencomputer Europas.
Als Einsatzbereiche nennt das Fraunhofer-Kompetenzwerk unter anderem nachhaltigen Verkehr, die schnellere Entwicklung neuer Materialien oder Medikamente sowie effizientere Analysen komplexer Finanzströme. Für Kretschmann liegt das Potenzial darin, kritische Infrastrukturen zu stabilisieren sowie in der Modellierung von Batterien und Brennstoffzellen. „Dieses Projekt ist ein Meilenstein auf dem Weg ins Quanten-Land Baden-Württemberg“, rief er in die Runde.
Quantencomputer – Hard- und Software – hätten das Potenzial, künftig eine zentrale Rolle bei der Bewältigung großer gesellschaftlicher Herausforderungen wie Nachhaltigkeit, Klimawandel und öffentliche Gesundheit zu spielen, zitiert die Funkschau IBM. Arvind Krishna, CEO and Chairman IBM, sprach von einem Wendepunkt, von dem die deutsche Wirtschaft, Industrie und Gesellschaft stark profitiere.
Allerdings war der Weg dahin auch wegen Corona nicht frei von Hürden, wie die Funkschau Katia Moskvitch aus dem IBM Think Blog zitiert. Das US-Team konnte wegen der Pandemie nicht nach Deutschland fliegen und musste aus mehr als 6.400 Kilometern Entfernung mit den deutschen Ingenieuren des lokalen Entwicklungslabors zusammenarbeiten, um das Kryostat genannte Kühlsystem für das hochempfindliche mikroelektronische Device zu installieren.
Die Systeme arbeiten nur dann zuverlässig, wenn die Quantenbits oder Qubits auf eine Temperatur nahe des absoluten Nullpunkts von 0 Kelvin (K) oder -273,15 Grad Celsius gebracht werden, wie die Frankfurter Allgemeine (FAZ) berichtete.
Aber was ist so ein Qubit, was macht es so leistungsstark, was sind Quanten, was heißt Quantencomputer? In den meisten Fällen sieht man dafür nur sehr komplexe Antworten, so komplex wie die Materie. Mit einfach Worten erklärt: Quantencomputer lösen demnach Probleme, an den selbst die größten Supercomputer scheitern. Ein Quant wird dort vergleichbar mit dem Pixel eines Digitalfotos als kleinstmöglicher, nicht mehr teilbarer Wert einer physikalischen Größe beschrieben.
Zu den Vordenkern der darauf aufbauenden Quantenmechanik gehörten in den 1920er und frühen 1930er Jahren übrigens Werner Heisenberg und Ernst Schrödinger (der mit der Katze in der Box). Elektronische Wellen, Radiowellen und Mikrowellen bestehen aus vielen Quanten in Form von Photonen oder Ionen etwa. In einem Quantencomputer wird so ein Quant in Anlehnung an Bits von normalen Computern Qubits oder Qbits genannt. Wie bei Bits handelt es sich dabei um ein binäres Zwei-Zustandssystem. Das heißt aber nicht, dass so ein Quanten-Bit nur entweder ein oder aus, 1 oder 0 als Zustand annehmen kann. Vielmehr kann es sowohl als auch den Zustand ein und aus, 1 und 0 annehmen und theoretisch unendlich viele Zustände dazwischen, so als würde eine in die Luft geworfene Münze sich so drehen, dass man nicht sagen kann, ob sie Kopf oder Zahl anzeigt.
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Ein 2-Bit-System kann nur bis 3 rechnen, ein 7-Bit-System wie der klassische ASCII-Zeichencode nur bis 127. Selbst wenn man davon ausgeht, dass ein Qubit nur zwei Zustände annehmen kann, verdoppelt sich mit jedem weiteren Qubit die Anzahl der gleichzeitig darstellbaren Zustände – und zwar exponentiell. Drei Qubits könnten dann schon acht Zustände annehmen, bei 300 Qubits wären es unvorstellbare 2 hoch 300 Zustände.
Von nur zwei Zuständen pro Qubit ausgehend könnte der IBM Quantum System One bereits über 134 Millionen Zustände gleichzeitig darstellen, der von Google mehr als 9 Billiarden, der der Chinesen über 4,6 Trillionen (bei 62 Qubits). Aber es bleibt ja eben nicht bei nur zwei Zuständen pro Qubit und das macht Quantencomputer selbst den größten Supercomputern so überlegen, theoretisch zumindest.
Quantencomputer-Info nennt übrigens noch weitere Einsatzbereiche wie Simulationen für Natur- und Ingenieurswissenschaften in der Physik, Materialforschung, Quanten-Chemie und Quanten-Biologie etwa, die Optimierung der Logistik, Künstlicher Intelligenz und Machine Learning, IT-Beratung, die Kryptographie und Energieeinsparungen. Das heißt, der Weg für die neuen Systeme ist nach vielen Seiten offen, aber er ist auch noch weit, bis die Technik massentauglich wird.
Quelle Titelbild: IBM Research.