Mehr Geld für Produktion und Entwicklung: Wie die EU die heimische Chipindustrie stärken will

Die verlässliche Versorgung mit Mikrochips ist essenziell für Unternehmen. Bislang war Europa allerdings von Lieferanten aus Asien und den USA abhängig. Das soll sich durch den neuen European Chips Act ändern. 

Von Automobilen, über Industrieanlagen und Fertigungsmaschinen bis hin zu Geräten des täglichen Bedarfs wie Waschmaschinen, Smartphones und Co. – kaum ein Bereich der Wirtschaft und unseres Alltags kommt ohne sie aus: Mikrochips. Ein Mangel an Halbleitern kann dementsprechend gravierende Auswirkungen haben, wie während der letzten Monate aufgrund der Corona-bedingten Unterbrechung weltweiter Nachschubwege spürbar gewesen ist. Den westlichen Industrienationen wurde dabei gleichzeitig einmal mehr ihre Abhängigkeit von fernöstlichen Herstellern vor Augen geführt.

Diesen Zustand zu verändern und die Chipproduktion in Europa dauerhaft zu stärken ist das Ziel des European Chips Act. Denn der Bedarf wächst: 2020 wurden weltweit bereits eine Billionen Mikrochips hergestellt, die Nachfrage soll sich laut Zahlen der EU-Kommission bis 2030 verdoppeln.

Die EU will ihre eigene Produktion von derzeit 10 Prozent des globalen Halbleiter-Bestands auf dann 20 Prozent ebenfalls verdoppeln.(Quelle:AdobeStock/janifest)

Bis dahin will die EU ihre eigene Produktion von derzeit 10 Prozent des globalen Halbleiter-Bestands auf dann 20 Prozent ebenfalls verdoppeln. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, sieht das neue Gesetz einige konkrete Maßnahmen vor.

Investitionen in Produktion, Forschung und Fachkräfte

Zentrales Mittel zur Förderung der Chipproduktion in Europa stellen dabei die ausgeweiteten Investitionen durch staatliche und private Akteure dar. Der European Chips Act soll hierfür die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. Kurzfristig werden so 15 Milliarden Euro zusätzlich für bestehende Förderprogramme der Kommission und der einzelnen Mitgliedsstaaten verfügbar. Bis 2030 will die EU weitere 43 Milliarden Euro investieren, die um weitere private Mittel ergänzt werden sollen.

Ziel ist dabei neben der erhöhten Produktion auch die Förderung von Wissenschaft und Forschung im Bereich der Halbleitertechnologie, um leistungsstärkere Chips zu entwickeln. Dazu sind auch Maßnahmen geplant, um Fachkräfte in diesem Bereich auszubilden oder aus dem Ausland zu gewinnen. Langfristig soll sich die EU somit von der Abhängigkeit globaler Lieferketten lösen.

Kritik durch Verbände und Industrie  

Ziel ist dabei neben der erhöhten Produktion auch die Förderung von Wissenschaft und Forschung im Bereich der Halbleitertechnologie. (Quelle:AdobeStock/IM imagery)

Im Vergleich zu den USA ist Europa allerdings deutlich im Verzug. Bereits im Sommer 2022 hat die US-Regierung mit dem Chips and Science Act ihr Programm zur Stärkung der heimischen Chipproduktion auf den Weg gebracht. Dieses umfasst Mittel in Höhe von rund 53 Milliarden US-Dollar. 39 Milliarden US-Dollar sind dabei ausdrücklich als Hilfen für die Chipindustrie bestimmt.

Nicht nur aufgrund des späten Zeitpunkts sehen Industrie- und Wirtschaftsverbände das EU-Gesetz kritisch. So verweist der Branchenverband Bitkom darauf, dass von den angekündigten 43 Milliarden Euro an Investitionsmitteln gerade einmal 3,3 Milliarden von der EU selbst stammen. Den Rest übernehmen die Mitgliedsländer, was erfahrungsgemäß zu weiteren Verzögerungen führen kann. Doch gerade auf die Geschwindigkeit kommt es jetzt an: Nur durch Schnelligkeit und Effizienz bei der Förderung und einem möglichst bürokratiearmen Genehmigungsprozess lassen sich die benötigten Produktionskapazitäten zeitnah aus- und aufbauen. Denn die Industrie ist von einer verlässlichen Versorgung mit Halbleitern abhängig. 90 Prozent aller Unternehmen benötigen Chips in der Herstellung ihrer Produkte. Vom Erfolg der Maßnahmen des European Chips Acts hängt damit die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Europa ab.

Quelle Titelbild: Adobe Stock / Stockgiu

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