28.08.2023

Überall sind heute Mikrochips verbaut. Lieferengpässe in der Coronakrise haben aber gezeigt, wie abhängig die europäische Industrie von Importen aus Übersee ist. Der jetzt vom EU-Parlament verabschiedete „Chips Act“ will das ändern und vor allem mehr staatliche Subventionen ermöglichen.

Vor allem die großen europäischen Automobil-, Haushaltsgeräte- wie auch Computerhersteller haben die in Coronazeiten angestauten gravierenden Lieferengpässe bei Chips und anderen Halbleiterprodukten zu spüren bekommen. Denn die meisten davon kommen aus Fernost und Nordamerika. US-Unternehmen wie Intel in Magdeburg haben auch schon Bereitschaft gezeigt, mehr in Europa zu investieren, aber mit Rücksicht auf andere Länder konnten staatliche Subventionen bislang nicht in dem gewünschten Maße fließen.

Der EU „Chips Act“, der in der zweiten Juliwoche 2023 nach anderthalb Jahren Debattierens mit großer Mehrheit vom EU-Parlament verabschiedet wurde, will das ändern und beinhaltet zunächst einmal Fördermittel von 43 Milliarden Euro. Das Europäische Chipgesetz sieht zudem vor, dass EU-Mitgliedsstaaten, unabhängig von dem großen Topf, selbst mehr investieren und subventionieren dürfen. Vorher stand dem oft der Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung entgegen. Wenn das Gesetz auch von der EU-Kommission abgenickt wird, was nur eine Frage von wenigen Wochen sein soll, müsste diese nur noch einzelnen Projekten zustimmen.

„Staatliche Wettbewerbsverzerrung“ bald vom Tisch?

Und damit wäre auch der Weg frei, dass die deutsche Bundesregierung und das Land Sachsen Anhalt „aus eigener Tasche“ 9,9 Milliarden zu den auf 30 Milliarden Euro geschätzten Baukosten von Intel im Raum Magdeburg beisteuern. Frank Bösenberg, Managing Director des Silicon Saxony, hat auf Twitter ausdrücklich betont, dass sich Deutschland bei den Subventionen in Halbleiterwerken nicht an EU-Mitteln bediene, sondern die Summen selbst stemme.

Die deutsche Bundesregierung und Sachsen Anhalt müssen die Baukosten für Intel selber finanzieren (Quelle: Adobe Stock / Vadym).

Intel-Chef Pat Gelsinger hat das nun zum Abschluss gebrachte europäische Chipgesetz prompt begrüßt und wird von Heise mit den Worten zitiert: „Das ist ein aufregender Tag für Europa! Halbleiter sind der Schlüssel zu Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum in der digitalen Wirtschaft. Heute sendet die EU ein starkes Signal an europäische Unternehmen, Investoren und Partner, dass Europa sich für den Aufbau eines wettbewerbsfähigen Ökosystems für Halbleiter einsetzt. Ich gratuliere den EU-Gesetzgebern zu ihrer guten Arbeit und bin gespannt, was der EU Chips Act dem europäischen Halbleitersektor bringen wird. Mit unseren neuen Investitionen in Deutschland und Polen und dem Ausbau unseres Standorts in Irland ist Intel stolz darauf, ein Partner für diese Ambitionen zu sein.“

Intels Hauptkonkurrent AMD hat in Dresden mit AMD Saxony 1996 begonnen, eines der modernsten Prozessorenwerke aufzubauen und dort bis 2007 insgesamt sechs Milliarden Dollar investiert. Das Unternehmen wurde 2009 als Teil der Abspaltung der Halbleiterfertigung in die Ausgründung Globalfoundries ausgelagert, die zunächst zu knapp zwei Drittel Abu Dhabi gehörte. Damit war AMD Saxony keine direkte AMD-Tochter mehr. Zum Teil hat man damals für das nachlassende Engagement von AMD – wie so oft bei ausländischen Investitionen – auch zu viele staatliche und bürokratische Hürden verantwortlich gemacht.

Der Siemens-Ableger Infineon indes baut gerade seine Produktionsstätte in Dresden aus und erhält dafür zusätzlich zu Eigenmitteln von 4 Milliarden Euro eine Milliarde Euro aus dem deutschen Haushalt, wie es heißt. Wolfspeed und ZF wollen derweil laut Heise im Saarland die „weltweit modernste“ Siliziumkarbid-Fabrik aufbauen und das ebenfalls mit staatlicher Unterstützung.

Die Produktionsstätten in Dresden werden mit 4 Milliarden Euro unterstützt (Quelle: Adobe Stock/ sommart).

Industriekommissar Thierry Breton verspricht: „Wir investieren in die Zukunft“, und sagte weiter: „Man könnte deshalb sagen, dass wir mit dem Chips Act dazu beitragen, Europa im Bereich Halbleiter zu reindustrialisieren, entlang der gesamten Wertschöpfungskette.“ Nach seinen Worten zeigt das Gesetz schon jetzt Wirkung. Seitdem die EU das Vorhaben auf den Weg gebracht hat, seien mehr als 100 Milliarden Euro an öffentlichen und privaten Investitionen in diesem Bereich angekündigt worden.

Quelle Titelbild: Adobe / Dragon Claws

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