Augmented Reality besonders bei jungen Deutschen immer beliebter
Redaktion Digital Chiefs
Auch wenn sich der Einsatz noch meist auf Kamerafilter für lustige Einblendungen in Videochats beschränkt, ...
Das Bundesland Baden-Württemberg will Hochschulstudiengänge fördern, in denen der Einsatz virtueller Realität gelehrt wird. Die Schwaben unterstützen insgesamt fünf Projekte.
In der Unternehmenswirklichkeit ist Virtual & Augmented Reality (VR/AR) längst angekommen. Service-Techniker begutachten mit Datenbrillen Schäden und holen sich Rat von Experten, die sich tausende Kilometer entfernt aufhalten. Konstrukteure können mit VR/AR an virtuellen dreidimensionalen Modellen arbeiten und sehen sofort, was geschieht, wenn ein Bauteil an einer bestimmten Stelle eingebaut wird. Kunden haben die Möglichkeit, sich im Showroom eines Automobilherstellers anzusehen, wie eine bestimmte Farbkombination zu ihrem Traumauto passen würde und virtuelle Testfahrten ohne Unfallrisiko absolvieren. Und natürlich ist VR/AR auch bei Gamern populär, die damit spielerisch neue dreidimensionale Welten erleben können.
Das Bundesland Baden-Württemberg engagiert sich jetzt dafür, dass VR/AR auch in der Hochschulausbildung stärker berücksichtigt wird. Das Programm läuft unter dem Namen „Uni im digitalen Raum“.
Die Erkenntnis hat sich durchgesetzt, dass digitalen Lehrkonzepten die Zukunft gehört. Das Wissenschaftsministerium des Bundeslandes Baden-Württemberg hat in den vergangenen vier Jahren bereits zehn Millionen Euro in entsprechende Instrumente an den Hochschulen investiert.
Dabei geht es nicht nur um digitale Lernplattformen und -mittel, sondern auch um Augmented- und Virtual-Reality-Konzepte, die es den Studierenden möglich machen, sich wesentlich realistischer und detaillierter mit den Lehrthemen auseinanderzusetzen. Das Spektrum reicht dabei von der Ingenieurausbildung bis hin zu Lernszenarien für die Künste. So sollen, laut Wissenschaftsministerin Theresia Bauer, die Potenziale für die Hochschullehre noch weiter ausgeschöpft und ausgebaut werden.
Für das neue Programm stellt das Kultusministerium 1,8 Millionen Euro bereit, mit denen insgesamt fünf Projekte an verschiedenen Ausbildungsstätten gefördert werden. Hier die Projekte im Überblick:
In MARBLE wird es zukünftig möglich sein, dass Studierende der Archäologie virtuell über antike Mosaiken gehen und deren Bilder und Inschriften in kleinen Teams untersuchen. Statuen und Architektur können im Seminarraum umschritten werden. Überdies lassen sich Räume und Orte virtuell besuchen, die aus konservatorischen Gründen nicht zugänglich sind (z. B. Höhlenfundplätze, Katakomben). Wichtig ist dabei, dass die Studierenden in den virtuellen Räumen nicht isoliert sind, sondern in einem Mixed Reality Szenario miteinander interagieren.
Das Projekt ViRAI bringt die virtuelle Realität in die Hörsäle und Übungsräume der Universität Stuttgart. ViRAI etabliert die Anwendung von VR und AR in den ingenieurswissenschaftlichen Bachelor- und Masterstudiengängen. Das interdisziplinäre Forscherteam des Instituts für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement der Universität Stuttgart, des Ludwig-Uhland-Instituts für Empirische Kulturwissenschaft der Universität Tübingen und des Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) untersucht außerdem, wie sich die Lehr- und Lernkultur durch den Einsatz von VR und AR in der Ingenieursausbildung verändert.
Bei Praktika und Vorlesungen ist es üblich, Studierende getrennt an Mess- und Simulationstechnik heranzuführen. Erforderlich ist zudem, dass die Studierenden und Lehrenden physisch vor Ort sind – in den jeweils gut ausgestatteten, teuren und personalintensiven Laboren. Das Vorhaben soll bereits existierende, virtuelle Plattformen – basierend auf moderner 3D-Visualisierungstechnik – mittels VR/AR-Techniken nutzbar machen. Konkret werden verfügbare VR/AR-Hardwaretechniken für die Lehre mittels Apps auf Standardmobiltelefonen zur Verfügung gestellt. Dies erlaubt eine interdisziplinäre und praxisnahe Ausbildung.
Das Vorhaben setzt an den Schnittstellen der ABK zwischen Architektur und den künstlerischen Lehramtsstudiengängen sowie den Partnergymnasien an. Die Vermittlung digitaler Kompetenzen ist eine zentrale Aufgabe zukunftsorientierter gestalterischer und künstlerischer Studiengänge und auch des Faches Bildende Kunst an Gymnasien. Darüber hinaus können virtuelle künstlerische Interventionen mittlerweile an Orten geschehen, die in der realen Welt dafür nicht vorgesehen wären. Da etwa VR-Brillen nicht mehr an hoch-performante Rechnersysteme gebunden sind, sind diese Welten tragbar geworden: sie passen in einen Koffer.
In diesem Projekt werden Forschungsergebnisse der naturwissenschaftlich-technischen Lehr-Lern-Forschung und der Mediendidaktik zusammengeführt. Unter anderem mit dem Ziel, den Nutzwert von AR hinsichtlich des kognitiven Lernerfolgs zu maximieren. Thematische Basis sind verpflichtende Lehrinhalt im Lehramtsstudium der Fächer Biologie, Chemie und Technik. Aufgrund ihres hohen Abstraktionsgrades ist der Einsatz von AR hier besonders sinnvoll, da deren Objekte und Prozesse durch AR interaktiv erfahrbar gemacht werden können.
Im Sommer 2017 wurde mit „digital@bw“ die erste, ressortübergreifende und landesweite Digitalisierungsstrategie für das Land Baden-Württemberg vorgestellt. Sie ist das Ergebnis einer Teamarbeit aller Ministerien. In den kommenden Jahren werden über 70 konkrete Projekte mit einem Volumen von mehr als 300 Millionen Euro umgesetzt.
Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen wurden 2019 erste Schulen mit VR-Brillen ausgestattet, um die 9.000km-weite Distanz zu den Partnerschulen in China etwas zu verringern. Mit dem Projekt „VirtualStudentXChange“ der Stiftung Mercator können die Schulen mit Hilfe der 360-Grad-Videos erste Kontakte nach China knüpfen und sich über die 360-Grad-Videos den „Austauschschülern“ einander virtuell vorstellen, ihre Schulen, Städte und Wohnungen sowie ihre Freizeitaktivitäten präsentieren und auf Fragen antworten.
„Durch die Rundumsicht haben die Schülerinnen und Schüler das Gefühl, selbst vor Ort zu sein. Wir nutzen die Videos, um die Zeit zwischen den gegenseitigen Besuchen zu überbrücken“, beschreibt eine Lehrerin den Erfolg des Projekts im Unterricht.
Virtual Reality wird bereits in einigen Ländern eingesetzt. Eine Förderung in diesem hohen Maße gibt es aktuell aber nur im Rahmen der Digitalisierungsstrategie „digital@bw“ in Baden-Württemberg.
Quelle Titelbild: iStock / Hispanolistic