Homeoffice ist nicht gleich New Work
08.06.2020 | Axel Oppermann

Warum Homeoffice nur ein Baustein einer New-Work-Strategie ist

Das neue Normal, namentlich das Auftreten globaler Krisen mit direkter Auswirkung auf jedermann, hat im Fall der Corona-Pandemie in vielen Unternehmen dazu geführt, langfristige Ziele zugunsten temporärer Anforderungen – temporärer Bedarfe – zu opfern. Hervorstechendstes Beispiel: die Nutzung des „Homeoffice“ als operatives Instrument, um das Tagesgeschäft aufrechtzuerhalten. Größere Ziele wie „New Work“-Strategien kommen dabei oftmals unter die Räder; werden situationsbedingt nicht bedacht. Ein Fehler.

Mit Überschriften wie „Corona revolutioniert unsere Arbeitswelt“ und „Die Pandemie prägt dem Berufsleben ihren Stempel auf“ machte die Neue Züricher Zeitung Mitte Mai 2020 Schlagzeilen. Was. Für. Eine. Fehleinschätzung. Die Entwicklungen im Kontext der Corona-Krise sind maximal Beschleuniger einer seit Jahren laufenden Evolution des Arbeitsplatzes, des Verständnisses für und die Gestaltung von Arbeit. Die Corona-Situation revolutioniert nicht. Sie hat lediglich diejenigen in Bewegung versetzt, die in Sachen Unternehmenstransformation die Schlummertaste gedrückt hatten.

Das Märchen vom Homeoffice als Heilsbringer

Auch zahlreiche Hersteller und Fachmedien greifen das Thema „Homeoffice“ in letzter Zeit verstärkt auf und nutzen die Aufmerksamkeit für ihre Zwecke und jazzen das Thema je nach Gedankenhaltung entweder hoch oder knüppeln mit Themen wie einer „sozialen Verkrüppelung durch Isolation im Homeoffice“ drauf.

Fakt ist: Homeoffice, mobiles Arbeiten und mobiles Lernen werden sich als Standard in vielen Unternehmen durchsetzen. Allerdings nur im Rahmen einer übergeordneten Strategie und nicht losgelöst. Homeoffice per se ist keine Strategie, sondern vielmehr ein (operatives) Instrument. Was passiert, wenn einfach mal so Homeoffice gemacht wird, zeigt sich gerade: Ich kenne mittelständische Firmen, die ad hoc ihre Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt haben und es acht Wochen nicht schafften, einen vom eigentlichen Arbeitsprozess losgelösten Dialog aufzubauen oder Trainings anzubieten. Quasi „Social Distancing“ mal anders interpretiert. Dabei ist der regelmäßige, vertrauensvolle Austausch unerlässlich für eine produktive Zusammenarbeit. Klar. Bedingt durch den schnellen Handlungsbedarf war anfangs keine Zeit für solche Themen. Der Betrieb musste schließlich aufrechterhalten werden. Aber solche entsprechenden Dialogkonzepte und Trainings sind seit Langem entwickelt und am Markt erhältlich. Sie liegen praktisch in der Schublade und müssen nur ausgerollt werden.

Homeoffice wird sich durchsetzen.
Es gilt neue Wege zu gehen. Quelle: iStock / SIphotography.

Es gilt, neue Wege zu gehen: Das Homeoffice bedingt ein Mehr an Führungsintelligenz und Empathie bei gleichzeitiger Systemhärte und einem darwinistischen Drang zum Optimieren. Das zeigen auch Analysen von Firmen, die en passant, Datenschutz hin, Vertrauensverhältnis her, die Telemetriedaten ihrer Homeoffice-Mitarbeiter ausgewertet haben. Ihnen ist förmlich das Gulasch aus dem Gesicht gefallen: Einlogzeiten von 25 bis 30 Prozent der vereinbarten Arbeitszeit waren keine Seltenheit. Und dies, ohne dass in irgendeiner Art „Arbeit liegen geblieben“ ist. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass oftmals drei von vier Mitarbeitern freigesetzt werden könnten.

Chancen nutzen

Wie erwähnt: Homeoffice als Strategie auszurufen, ist abgesehen von der Landung der Hindenburg bei Gewitter in New York so ziemlich die schlechteste Idee, die man haben kann. Vielmehr gilt es, eine ganzheitliche Strategie auch bzw. gerade jetzt in schwierigen Zeiten zu realisieren. Eine Strategie, die zunächst auf eine agile, offene Kultur setzt. Die geeignete Technologien einsetzt, um zunächst eine agile und flexible Zusammenarbeit zu realisieren. Und dann Prozesse automatisiert und Arbeitsabläufe verschlankt, damit Zeit und Raum für Kreativität, Kundenbeziehungen und neue Umsatzmöglichkeiten vorhanden sind.

Geeignete Technologien für Homeoffice
Setzen Sie auf geeignete Technologien, um eine agile Zusammenarbeit zu realisieren. Quelle: iStock / Ridofranz.

„New Work“ ist eine solche Strategie. Ist ein solches Konstrukt, das auf eine Art von Unternehmenskultur und Führung setzt, die auf Informationstechnologie aufbaut und den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Coaching, Vertrauen und Befähigung sind Eckpunkte. Dies geschieht im Spannungsdreieck zwischen Produktivität, Zufriedenheit der Mitarbeiter und Anforderungen des Marktes. New Work kann dabei als eine Art Denkansatz und/oder eine Art Bewegung gesehen werden, die im Kontext einer gesellschaftlichen Veränderung, getrieben durch Technologie, eine Lösung liefern will.

Was „erfolgreiche“ Firmen besser machen

Das ganze Thema rings um New Work und Homeoffice ist kein Hexenwerk. Viele Unternehmen setzen seit Jahren Konzepte und Strategien um, durch die die Art und Weise optimiert wird, wie der Produktionsfaktor Arbeit eingesetzt wird. Und dies regelmäßig zum Wohle von Mitarbeiter und Unternehmen. Die Technik ist mittlerweile so gut, dass sie als Rohstoff gesehen wird. (Anmerkung: Und kommen Sie mir bitte jetzt nicht mit der Diskussion, dass Sie irgendwo in Kyritz an der Knatter kein Breitband haben. Auch hierfür gibt es Lösungen.)

Organisationsstrukturen
Erfolgreiche Unternehmen beschäftigen sich nachhaltig mit der Frage, wie künftig gearbeitet werden soll und muss. Quelle: iStock / PeopleImages.

Herausforderung ist die Unternehmensorganisation. Angefangen bei der Organisationsstruktur inkl. Hierarchien über Arbeitsanweisungen bis hin zu Vertrauen. Ein etabliertes Verständnis von Führung muss überdacht werden. Diese Veränderungen umfassen auch die Spannungsfelder zwischen wahrgenommener und antizipierter Führung. Es geht hier nicht um generationendivergierende Interpretation. Es geht darum, wie Führung im Unternehmen gelebt wird. Wie Eigenverantwortung der Mitarbeiter gestärkt wird. Wie der Dialog und die Kommunikation untereinander verbessert werden.

Erfolgreiche Unternehmen beschäftigen sich nachhaltig mit der Frage, wie momentan und zukünftig gearbeitet werden soll und muss. Beschäftigen sich damit, wie das „Mindset“ im Unternehmen, also das individuelle und kollektive Verständnis, sinn- und mehrwertstiftend verändert werden muss, damit der Einzelne, das Arbeitskollektiv und das Unternehmen profitieren.

Erfolgreiche Unternehmen setzen die gewonnenen Erkenntnisse seit Jahren um und profitieren, insbesondere auch in der momentanen Ausnahmesituation, von ihren Aktivitäten.

Was bleibt

Die Corona-Pandemie und deren Auswirkungen setzen nahezu alle Unternehmen unter enormen wirtschaftlichen und organisatorischen Druck. Ganze Märkte gehen verloren: Kunden gehen insolvent. Umsätze brechen weg. Zahlungen kommen nicht pünktlich. Und dennoch muss der Geschäftsbetrieb umfassend aufrechterhalten werden. Eine Teillösung sind agile und automatisierte Arbeitsabläufe, deren Grundlagen durch New-Work-Konzepte im Unternehmen eingeführt werden. Ziel muss es sein, kurzfristige Anpassungen vorzunehmen, mittelfristig Konzepte wie New Work zu adaptieren und langfristig zu optimieren und durch Automatisierung zu erweitern.

 

Quelle Titelbild: iStock / Lorenzo Passini

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