12.11.2020

Der kurz 5G genannte Mobilfunk der 5. Generation eröffnet völlig neue Möglichkeiten der drahtlosen Vernetzung und bietet viele Chancen, besonders für die Industrie mit der IoT-Anbindung von Maschinen sowie mit Blick auf Smart Cities, wie eine McKinsey-Studie zeigt.

Ein oft und gern zitiertes Beispiel für 5G-Anwendungen mit Datenraten von bis zu 10 Gbit/s, etwa dem 10-fachen von LTE, ist autonomes Fahren. Das setzt aber eine flächendeckende Versorgung bis in alle Winkel Deutschlands und darüber hinaus voraus. Entgegen dem Versprechen der Bundesregierung, diese bis 2025 hinzubekommen, mehrten sich schon im Vorfeld zu dem Bieterverfahren im Frühjahr 2019 Zweifel daran . Und obwohl die großen Netzbetreiber, allen voran Deutsche Telekom und Vodafone, schon gute Fortschritte machen, scheinen die Anfangszweifel laut einem Bericht der Tagesschau immer noch nicht vom Tisch zu sein.

Ein Zankapfel ist nach wie vor die Tatsache, dass sich die Bundesnetzagentur auch auf Druck der großen Betreiber zu keinem verpflichtenden National Roaming hat durchringen können, wie unter anderem Computerbase berichtete. Die Netzagentur hat den vier Bewerbern lediglich ein Verhandlungsgebot auferlegt. Hauptnutzträger wäre der Neuling 1&1 Drillisch, der Vierte im Bunde.

Laut Telecom Handel hat der bis Mitte 2020 noch nicht mit dem Bau von 5G-Masten begonnen und sei er auf Hilfe angewiesen, weil er kein 4G-Netz betreibe, das Grundlage für 5G sein kann. Drillisch-Chef Ralf Dommermuth sprach gegenüber der Nachrichtenagentur DPA von wenig attraktiven Angeboten und klagte: „“Jetzt sind wir ein Jahr weiter und haben immer noch kein nationales Roaming.“

Potential von 5G
5G braucht ein viel engmaschigeres Mobilfunknetz als bisher. Quelle: Adobe Stock / kinwun

Ohne gegenseitiges Abkommen würde das im Aufbau befindliche 5G-Mobilfunknetz also ein Flickenteppich bleiben. Denn dann könnten sich die vier Betreiber wie eh und je auf die lukrativen Städte und Ballungszentren konzentrieren und die bestehenden Mobilfunkwüsten weiter außen vorlassen, so die Befürchtung der Kritiker.

Einige technische 5G-Eckpunkte

Dabei braucht 5G ein viel engmaschigeres Mobilfunknetz als bisher. Das liegt daran, dass in Europa zunächst nur höhere 5G-Frequenzen im 2-GHz- und 3,6-GHz-Bereich vorgesehen waren.  Je höher die Frequenzen, das ist reine Physik, desto geringer die Reichweite. Im 3,6-GHz-Band liegt die ohne Beamforming  laut LTEmobile nur bei rund 1 km, mit Beamforming bei 2,5 km, im 2-GHz-Band sind etwa 3 km drin. Bei 26 GHz sind es nur 300 bis 1.000 m.

Kurzer Exkurs: Was ist Beamforming? 

Das auch von WLAN 802.11ac bekannte Beamforming ist ein Verfahren, bei dem die Mobilfunksignale anders als bisher nicht kreisförmig ausgesendet und am Rande immer schwächer werden, sondern ähnlich wie der Strahl einer Taschenlampe zu kegelförmigen Keulen (Beams) verformt und ganz gezielt ausgerichtet werden. Das Signal ist somit auch in den Randbereichen ähnlich stark wie im Zentrum, wie ein Technik-Blog der Deutsche Telekom erklärt. Deren 5G Integration Manager Sebastian Grundreben bezeichnet Beamforming als nächsten Schritt nach MIMO (Multiple Input Multiple Output), wo in einem 4×4 Array vier Sendeantennen am Mast und vier Empfangsantennen im Endgerät für rund 60 Prozent schnelleres Surfen sorgen. Beamforming greife das Prinzip auf, steigere es aber um den Faktor 16, so dass eine Antenne parallel 64 Signale ausstrahlen kann. Dabei zielen die 64 Keulen oder Beams laut Grundreben nicht auf einen einzelnen User ab. Vielmehr kann einer der Beams je nach Bedarf eine ganze telefonierende Touristengruppe oder einen von ihnen versorgen, der gerade ein hochauflösendes Foto oder Video hochlädt. Die Beams können also ganz bedarfsgerecht auf eine Vielzahl von Menschen oder Anwendungen ausgerichtet werden.

Erst mit 700 MHz, der ab 2025 geplanten nächsten Ausbaustufe, sollen es maximal 10 km sein. Damit 5G in puncto Datendurchsatz und Latenzen aber das volle Potenzial entfaltet, braucht es hohe Frequenzen von bis zu 26 GHz, womit ohne Beamforming, einem Verfahren zur Positionsbestimmung, nur eine Reichweite von maximal 300 m drin ist.

Dabei kommt auch die von WLAN und LTE bereits bekannte MIMO-Nachrichtentechnik (s. Kasten Beamforming) zum Einsatz. MIMO wird beim Einsatz vieler Antennen zu Massive MIMO. Wie es bei Internetworld Mitte 2018 hieß, wurden damals Systeme mit 128 Antennen pro Zelle entwickelt, womit sich laut Tests die Datenrate auf demselben MHz-Band um das 10-fache steigern ließe.

Neben Reichweite zählen auch Speed und Latenz

Aber Reichweite ist nicht alles. Viele Anwendungen, die meisten davon im B2B-Umfeld, sind gar nicht auf große drahtlose Reichweiten angelegt und brauchen auch keine flächendeckende Versorgung. Ein Vorteil von 5G über 4G ist laut Samsungs Newsroom der, dass der neue Mobilfunk im Stand-alone-Betrieb mit einer Million zehnmal so viele Geräte pro km2  ansprechen kann als bisher. Eine von Der Bank Blog genannte McKinsey-Infografik spricht sogar von 100 Mal so vielen.

5G bringt viele Vorteile für kabellose Technologien. Quelle: McKinsey

Hinzu kämen eine 100-fache Datenübertragungsrate auf 1 bis 10 Gbit/s (die tatsächlichen 4G-Datenraten weichen von den theoretischen mitunter sehr stark ab), eine von 20 ms auf unter 1 ms gesunkene Latenz mit 99,9999-prozentiger Verfügbarkeit und ein um bis zu 90 Prozent sinkender Energieverbrauch . Letzteres könnte aber mehr Wunschdenken sein, denn wie Zeit Online eine Studie des Stromriesen E.ON zitiert, dürfte der Energiebedarf von Rechenzentren für 5G bis 2025 um 3,8 Milliarden Kilowattstunden steigen. Das wären genug, um 2,5 Millionen Menschen in Köln, Düsseldorf und Dortmund ein Jahr lang zu versorgen. Dabei ist natürlich auch in Betracht zu ziehen, dass die 5G-Geschwindigkeiten auch mehr einladen, etwa 4G-Videos zu streamen.

Industrie wird wichtigster Anwendungsbereich

Ein Beispiel für 5G-Netze mit kleineren Reichweiten sind Campusnetze für Unternehmen und Hochschulen. Laut einem Leitfaden des Bundeswirtschaftsministeriums für 5G-Campusnetze ist auch für die dafür geplanten, extrem hochleistungsfähigen Frequenzbänder bei 26, 40 oder gar 86 GHz davon auszugehen, dass die Strahlen unter den Grenzwerten bleiben und sie keine gesundheitlichen Auswirkungen hätten. Solche möglichen Folgen sorgen schon seit den Anfängen des Mobilfunks immer wieder für Proteste von Anwohnern, die in manchen Regionen den Ausbau verhindert haben.

Wie dem auch sei. Den Weg in die weite Welt des Internets nehmen die Signale dann vom Campus über superschnelle Glasfaserverbindungen.  Gleiches gilt auch für die oben im Vorspann genannte IoT-Anbindung von Maschinen. Die Anbindung aus der Fabrik hinaus erfolgt meist per Glasfaser- und nicht über Mobilfunkverbindungen.

Eine im besagten Der Bank Blog zitierte McKinsey-Studie geht davon aus, dass der Absatz von industriell genutzten 5G-Module bis 2030 auf 250 Millionen Stück steigen wird und diese dann rund die Hälfte aller verkauften Einheiten ausmachen werden. Etwa 20 Prozent der konkreten Anwendungen oder rund 45 Millionen Einheiten setzen laut McKinsey 5G voraus, die restlichen 80 Prozent sollen als Ersatz für bestehende 4G-Einheiten dienen.  22 Millionen Einheiten sollen in die digitalisierte Produktion gelangen, zum Beispiel über selbstfahrende Lieferwagen in den Fabriken.

Smart Cities, Smart Energy, Büros und Health folgen

Als zweitwichtigsten Anwendungsbereich nennt die McKinsey-Studie Smart Cities mit etwa 8 Millionen Modulen, etwa in Kameras und Umweltsensoren, und Smart Energy mit 5 Millionen Modulen, zum Beispiel für die Überwachung des Stromnetzes. Dahinter folgen die Vernetzung von Büroräumen, Sicherheitsanwendungen und Gesundheitsdienste mit 4 Millionen, 3,6 Millionen und 2 Millionen Einheiten, so die McKinsey-Studie.

Was den Einsatz in der Industrie angeht, dämpfen manche IoT-Lösungsanbieter wegen der hohen Preise für die 5G-Module noch allzu große Erwartungen. McKinsey geht jedoch davon aus, dass die Preise sukzessive sinken werden. Lagen die anfangs noch zwei bis drei Mal über denen für 4G-Module, sollen sie bis 2025 um jährlich zehn Prozent sinken. Das wird aber nicht zum Schaden der Anbieter sein. Denn der Hardware-Umsatz mit 5G-IoT-Modulen soll sich bis 2030 von 180 Millionen auf 9,6 Milliarden Dollar geradezu verfünfzigfachen.

5G-Vorteile
Laut McKinsey werden die Preise für 5G-Module sukzessive sinken. Quelle: Adobe Stock / ipopba

Die 5G-Vorteile kommen in Wellen

Der Vorteil von 5G werde in Wellen kommen, sagt Ondrej Burkacky, Partner im Münchener Büro von McKinsey und Autor der Studie. Zunächst werde Enhanced Mobile Broadband (EMBB) mit hohen Datenübertragungsraten im Vordergrund stehen, dann „ultra-reliable, low-latency communication“ für zeitkritische und ausfallsichere Anwendungen wie die beim autonomen Fahren.

Als industrielle Branchen, die am meisten vom 5G-Wachstum profitieren könnten, nennt McKinsey Elektronikhersteller, Hersteller von Lösungen zur industriellen Automatisierung, die mittelfristig ein eigenes 5G-IoT-Portfolio aufbauen sollten, sowie Industrieunternehmen, die potenzielle Partner finden, die Technik in Vorreiter-Fabriken testen und eigene private Netzwerke aufbauen sollten, um nicht auf Dritte angewiesen zu sein.

Manche Unternehmen bauen schon selbst die 5G-Infrastruktur für eigene Campusnetze oder die IoT-Anbindung von Maschinen auf, andere holen sich dazu kompetente Partner wie Axians an Bord. Die von Sensoren gelieferten Maschinendaten werden in der Regel per Edge Computing in der Peripherie dezentral gesammelt und im ersten aufbereitet, um sie über 5G erst drahtlos und per Glasfaserverbindung dann an ein zentrales Cloud-Rechenzentrum weiterzuleiten.

Hierbei sind angefangen von den Module-Herstellern und den Mobilfunkanbietern bis hin zu den RZ-Betreibern eine Reihe unterschiedlicher Player gefragt. Diese alle in ein stimmiges Lösungsszenario einzubinden, gelingt oft nicht im Alleingang, sondern erfordert einen IT-Dienstleister wie Axians, der auch die Orchestrierung übernimmt.

„Vom Wachstum möglicher 5G-Anwendungen profitieren nicht nur Netzausrüster und Mobilfunkanbieter, sondern auch Maschinenbau- und Automatisierungsunternehmen“, sagt McKinsey-Partner Burkacky.

Quelle Titelbild: AdobeStock / chesky

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