digitale brieftasche

Die digitale Brieftasche der EU – Wunschdenken oder die Zukunft?

Laut einem Beschluss der EU-Kommission von Anfang Juni 2021 soll binnen eines Jahres der Weg für eine Digital Identity Wallet (EUid) freigemacht werden, über die sich unter anderem Geburts- und Heiratsurkunden auf dem Smartphone mitführen lassen.

Mit dem Beschluss der EU-Komission startet die Vermarktung der digitalen Brieftasche, Digital Identity Wallet (EUid) genannt. Der Vorteil für die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union ist, dass sie sich jeweils nur einmal registrieren und identifizieren müssen, um die in der digitalen Brieftasche mitgeführten Dokumente und Daten vorzeigen zu können.

Datenhoheit soll bei den Nutzern bleiben

Margarethe Vestager, die europäische Exekutiv-Vizepräsidentin für das Ressort „Ein Europa für die digitale Zukunft“, erklärt, dass die Wallet ohne zusätzliche Kosten und mit weniger Hürden erlauben soll, etwa eine neue Wohnung zu mieten oder ein Bankkonto zu eröffnen. Die Kommissionsvertretung in Deutschland weist auf den großzügigen Rahmen für die digitale Identität hin:

Sie soll in der EU allen zur Verfügung stehen, die sie nutzen wollen, EU-Bürgern ebenso wie Einwohnern und Unternehmen, weithin nutzbar sein und den Nutzerinnen und Nutzern die Kontrolle über die Daten geben. Sie sollen also selbst entscheiden können, „welche Aspekte ihrer Identität, Daten und Zertifikate sie an Dritte weitergeben, und den Überblick darüber behalten“. Das ist ein wichtiger Faktor für die Akzeptanzbildung innerhalb der Staatengemeinschaft.

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Als Erfolgsvoraussetzung wird die individuelle Entscheidung über die Datenweitergabe genannt. Quelle: Adobe Stock / starlineart

Sie soll in der EU allen zur Verfügung stehen, die sie nutzen wollen, EU-Bürgern ebenso wie Einwohnern und Unternehmen, weithin nutzbar sein und den Nutzerinnen und Nutzern die Kontrolle über die Daten geben. Sie sollen also selbst entscheiden können, „welche Aspekte ihrer Identität, Daten und Zertifikate sie an Dritte weitergeben, und den Überblick darüber behalten“. Das ist ein wichtiger Faktor für die Akzeptanzbildung innerhalb der Staatengemeinschaft.

Inwieweit das technisch funktioniert und nicht – wie bei der CovPass App passiert – Nachweise nach einem Software-Update vom Smartphone verschwinden, das wird sich erst zeigen müssen. Datenschutz gemäß der DSGVO ist eine weitere wichtige Anforderung, welche die Anbieter so einer Wallet meistern müssen. Aber sind alle Hürden einmal genommen, kann eine solche digitale Brieftasche neben der elektronischen Signatur auch eine Reihe von anderen Dokumenten und behördlichen Nachweisen aufnehmen, den Führerschein zum Beispiel, eingangs besagte Geburtsurkunde und Impfnachweise nicht zu vergessen. Auch der digitale Personalausweis wäre denkbar, wenn auch nur als zusätzliches Dokument, um Missbrauch an den EU-Grenzen ausschließen zu können.

EU-Staaten haben Gestaltungsfreiheit

Bei ausreichendem Datenschutz wären in Sachen Gesundheitsversorgung auch Dinge machbar, die bisher weitgehend ausgeklammert sind, in Deutschland zumindest, die Verknüpfung einer digitalen Krankenkassenkarte mit Nachweisen über bisherige Erkrankungen und Therapien etwa. Durch die damit wegfallenden vielfach redundanten Untersuchungen ließen sich immense Gesundheitskosten einsparen.

Wie im IT Finanzmagazin berichtet, lässt der Entwurf der EU-Kommission den Mitgliedsländern mehrere Möglichkeiten für die Umsetzung der digitalen Brieftasche. Jedes Land kann demnach selbst eine Lösung für seiner Bürger und Unternehmen auf den Markt bringen, ein privates Unternehmen damit beauftragen, die Wallet zu entwickeln und zu vermarkten sowie ein staatlich anerkanntes Zertifizierungsprogramm für die Identifizierung von Anwendungen privater Unternehmen auflegen. Die genauen technischen Standards würden auf EU-Ebene noch diskutiert, schreibt der Autor Armin Bauer, CTO von IDnow, einer der Bewerber für die Wallet.

Er hält die Einführung der beziehungsweise „des digitalen Wallets“ für einen notwendigen und richtigen Schritt, um das Alltagsleben der EU-Bürger zu vereinfachen und die digitale Identifizierungsgrenzen innerhalb des Staatenbundes zu überwinden.

Positive und negative Resonanz

Neben manchen positiven Stimmen wie „ein wichtiger Schritt in eine vernetzte, berührungslose Zukunft“, so Clare Joy, Senior Strategy and Expansion Lead bei Onfido, äußert sich Robert Beens, CEO bei Startpage, in einem Artikel von it-daily.net auch kritisch: „Die geplante Architektur der EUid strebt nicht weniger als einen mit der persönlichen Identität verknüpften, langlebigen Super-Cookie an, mit dem jeder Nutzer seine gesamte Privatsphäre in eine einzige Hand gibt. Das könnte der nächste Datenschutz-Albtraum werden. Unter anderem deshalb sehen wir in der aktuellen Version der EUid aus Datenschutzperspektive erheblichen Nachholbedarf.“

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Die Covid-19-Pandemie hat die Digitalisierung vorangetrieben. Dadurch hat sich auch die Kriminalität in diesem Bereich erhöht. Quelle: Adobe Stock / Vasif_art

Joy weist bei aller Freude über die digitale Wallet auch darauf hin, dass sich der Online-Identitätsbetrug in der Coronakrise deutlich erhöht hat. Eine sichere digitale Form des Identitätsnachweises helfe Geldwäsche zu bekämpfen, ID-Betrug zu verhindern und den Zugang zu Dienstleistungen wie Online-Banking oder Check-in im Hotel zu erleichtern. Unklar sei jedoch, wie die EU „die Validierung eines von einem EU-Mitgliedslands ausgestellten Ausweises, die Gewährleistung der Sicherheit dieses Ausweises und die Verknüpfung der physischen Identität einer Person mit ihrem digitalen Ausweis handhaben wird“.

Offen ist für sie auch die Frage, wie mit verloren oder kompromittierten Geräten umgegangen werden soll und ob die EU Dritten den Zugriff auf eine digitale Identität gewährt, wenn der Inhaber oder Nutzer die Erlaubnis dazu gibt. Im Idealfall könne ein auf der digitalen Identität basierender Prozess besser vor Betrug schützen. Entscheidend ist für Joy aber, dass das System für die digitale Identität auf Datenschutz und Sicherheit ausgelegt sei und nutzerfreundlich ist.

Das Hin und Her mit den verschiedenen Apps für digitale Corona-Impfnachweise und ihre Gültigkeit in anderen EU-Ländern zeigt aber vor allem auch, dass bei aller Eigenstaatlichkeit mit Blick auf die digitale Wallet auch eine Einheitlichkeit geschaffen werden muss. Sonst wird sich keine breite Akzeptanz einstellen und EUid abermals eine teure Fehlentwicklung sein.

Quelle Titelbild: Adobe Stock / nerthuz

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