Fachabteilungen kaufen IT zu teuer
19.11.2021 | Axel Oppermann

Fachabteilungen kaufen IT zu teuer ein

Immer häufiger werden Bestellungen oder Aufträge für IT und digitale Services nicht mehr von der Einkaufsabteilung oder der Unternehmens-IT, sondern von den Fachabteilungen direkt ausgelöst. Lag die Quote, je nach Studie, vor vier bis fünf Jahren bei zehn bis 40 Prozent, so liegt sie heute bei einigen IT-Services bereits deutlich über 50 Prozent. Eigentlich nicht weiter schlimm: Wären da nicht die Kosten. Und die Leistung …

Die Beschaffung von IT muss einen geschäftsorientierten Ansatz verfolgen, um den Erfolg sicherzustellen. Muss also die Bedarfe der Fachabteilungen erfüllen. Deshalb, und aus weiteren Gründen, ist es absolut nachvollziehbar, und in vielen Fällen auch richtig, dass Fachabteiligen ihre Bedarfe an IT und digitalen Gütern selbst befriedigen.

Risiken und Nebenwirkungen

Kommt das Thema Beschaffung durch Fachabteilungen auf die Tagesordnung, wird sehr schnell von „Schatten-IT“ („Shadow-IT“) gesprochen. Ein Thema, das die IT-Verantwortlichen bereits seit Dekaden beschäftigt, allerdings seit ca. fünf bis sieben Jahren stärker in den Fokus rückt und zurzeit durch die Anwender noch beschleunigt wird, bedingt durch Bereitstellungsmodelle wie Cloud-Computing, den Trend zur Diversifizierung von Geräten und Services und den Zugriff auf – sowie das Wissen über – Digitales. Der Begriff und das dahinterliegende Handeln der Protagonisten sind überwiegend negativ belegt. Dabei zeigen internationale Studien, dass diese Form der Allokation auch Vorteile hat: Mitarbeiter laden zunehmend Apps und Dienste herunter, die ihnen beim Erledigen ihrer Arbeit helfen. Sie seien dadurch produktiver und die Unternehmen würden wettbewerbsfähiger.

Die internationalen Studien lassen sich durch Projekterfahrung in Deutschland bestätigen. Das ändert allerdings nichts an den wesentlichen Problemen, die entstehen, wenn Fachfremde einfach nach Lust und Laune digitale Güter und Services beschaffen und konsumieren. Große Probleme ergeben sich in den Bereichen Sicherheit, Integration und Datenintegration sowie bei den Kosten.

Diagnose

Das eigentliche Problem: Fachabteilungen kaufen zu teuer ein: Werden Software, Cloud-Services oder andere digitale Leistungen direkt von den Fachabteilungen beschafft, werden nur in den seltensten Fällen Rahmenverträge, ausgehandelte Rabattstaffeln oder Servicelevel einbezogen. Das bedeutet: Es wird direkt auf geldwerte Vorteile verzichtet. Ferner kennen die Verantwortlichen in den Bereichen Marketing oder Personalwesen die Marktgegebenheiten nur ungenügend. Sie haben also kaum Kenntnisse über Marktmechanismen, geschweige denn haben sie eine Preistransparenz. So ist es eher die Regel als die Ausnahme, dass exemplarisch bei der Beschaffung einer SaaS-CRM-Lösung Standardrabatte nicht gezogen und Nebenabreden über Servicelevel nicht als Verhandlungsgegenstand eingebracht werden. Die Folge ist: Fachabteilungen kaufen in der Regel zu teuer ein. In anderen Worten: Sie generieren zwar für sich durch die eigenständige Beschaffung – die Initiative – Vorteile, verpassen aber die Chance, eine wirtschaftliche Entscheidung zu treffen und verschwenden Budget. Durchgeführte Projekt lassen die Aussage zu, dass je nach Unternehmensgröße und beschaffter Lösung Fachabteilungen einen Aufschlag von 30 bis 35 Prozent bezahlen.

Schmerz und Symptom

Verantwortliche aus Marketing, Vertrieb, HR oder Organisation, die vorbei an der IT-Abteilung beschaffen, sollten sich nicht durch kurzfristige Bedarfe oder blinden Aktionismus in Vertragsfallen, Abhängigkeiten oder in zu teure Verträge manövrieren. Vielmehr gilt es, neben den einzelnen Leistungsparametern, insbesondere die Preise für Software oder Cloud-Services zu vergleichen. Besonders leicht fällt dieser Vergleich bei Dienstleistungen im Umfeld von Managed Services, Cloud-Computing oder bei konkreten Implementierungs- und Migrationsprojekten. Hier gilt es, gezielt die unterschiedlichen Marktpositionen der Dienstleister zu erkennen und für sich zu nutzen. Kurzum, die klare Empfehlung: Das Beschaffen von IT oder digitalen Gütern durch Fachabteilungen darf keine emotionale Ad-hoc-Entscheidung sein. Vielmehr gilt es, innerhalb der Fachabteilung nüchtern zu analysieren und schlagkräftig zu beschaffen.

Der Schmerz liegt tiefer

Neben dem zu hohen Einkaufspreis und etwaigen langfristigen vertraglichen Verpflichtungen werden sehr schnell weitere Kostenfallen sichtbar. Die große Herausforderung liegt nämlich in der Integration und dem Bereitstellen von Daten in die IT-Kernsysteme einerseits und andererseits von den Kernsystemen in die von den Fachabteilungen beschafften und genutzten Lösungen. Ein gutes Beispiel, um dieses Dilemma zu erklären, sind Multi-Clouds.

Durch bedarfsgetriebene und ergebnisorientierte Fachabteilungen ist vielerorts eine unechte Multi-Cloud-Kultur entstanden; ohne dass es jemand richtig mitbekommen hat. Ohne dass es gewollt oder geplant war. Fachabteilungen, aber auch Entwickler, haben SaaS-, IaaS- und PaaS-Cloud-Services beschafft, um Ressourcenbeschränkungen zu überwinden. Jetzt bestehen alle Unternehmens-IT-Strukturen aus Multi-Clouds. Die Aufgabe der IT-Organisation muss es sein, hier schnell Ordnung und Transparenz zu schaffen. Die Multi-Clouds müssen zusammengeführt werden, um – was auch eine Strategie vieler Unternehmen ist – die Ausführung verteilter Geschäftsprozesse zu ermöglichen. Benötigt wird ein Konstrukt, das zum Verbinden und Integrieren von Applikationen und Systemen, zum Austausch von Nachrichten, zum Übersetzen von Daten sowie zum Monitoring und zur Verwaltung, Nutzung und Performance verwendet wird. Ziel ist es, dass über Abteilungsgrenzen hinweg gearbeitet werden kann. Dass Vorteile erzielt werden können.

Multi-Clouds müssen zusammengeführt werden, um die Ausführung verteilter Geschäftsprozesse zu ermögliche
Multi-Clouds müssen zusammengeführt werden, um die Ausführung verteilter Geschäftsprozesse zu ermöglichen. Bild: Adobe Stock / vectorfusionart

Das richtige Rezept

Fachabteilungen kaufen in der Regel zu teuer ein, weil sie einerseits keine Ahnung von Marktmechanismen und der IT-Beschaffung haben. Ferner kennen sie oftmals die Rahmenverträge nicht; können daher keine Vorteile generieren. Andererseits entstehen hohe Kosten durch ein aufwendiges Datenmanagement und oftmals massive Integrationsprojekte. Darüber hinaus führt die selbstbestimmte Beschaffung dazu, dass Systeme oder Lösungen mit identischen Funktionen parallel betrieben werden müssen.

Verantwortlichen in Unternehmen wird empfohlen, die Vor- und Nachteile der Beschaffung durch Fachabteilungen genauestens abzuwägen. Vorteile, die durch höhere Produktivität oder relative Verbesserungen gegenüber dem Wettbewerb erzielt werden, dürfen nicht durch ausufernde Kosten aufgehoben werden.

IT-Einkauf heißt auch Marktkenntnisse nutzen

IT-Einkauf heißt schon lange nicht mehr nur „Preise drücken“. Aber dennoch sind gerade jetzt die „Old School“-Fähigkeiten im Rahmen der IT-Beschaffung gefragt; gilt es doch, sich ändernde Rahmenparameter zu nutzen.

Wer heute über Sinn und Zweck professioneller IT-Beschaffung spricht, redet regelmäßig über sinn- und mehrwertstiftende Eigenschaften der Produkte, Lösungen und Services. Und wie sie die digitale Transformation und die Veränderung im Allgemeinen unterstützen sollen. Es wird darüber gesprochen, dass immer mehr Budgets für IT-relevante Projekte in den Fachbereichen liegen und auch von hier aus allokiert werden. Alles richtig! Doch über den Preis – respektive die Preisverhandlung – wird kaum gesprochen. Das ist ein riesiger Fehler. Warum? Weil nicht nur viele Unternehmen in Handel, Industrie oder dem Dienstleistungssektor vor enormen Veränderungen stehen, sondern auch die IT-Anbieter und die Unternehmen im IT-Channel.

Die Zeit der Helden ist vorbei: Die Angebotsseite verändert sich

So entwickeln immer mehr IT-Dienstleister ihr Portfolio in Richtung skalierbarer und automatisierter Leistungserbringung. Das bedeutet, sie wandeln die Form ihrer Leistungserbringung von auf „Manpower“ basierenden Modellen auf Konzepte um, die auf IP – Intellectual Property – beruhen. Hierdurch wird die Reproduzierbarkeit der Leistung zu sinkenden (Grenz-)Kosten ermöglicht. Es entstehen Wettbewerbs- respektive Kostenvorteile, die nicht an die Nachfrageseite weitergegeben werden.

Schon jetzt ist abzusehen, dass durch die zunehmende Automatisierung und den Einsatz von IP und die sich ändernde Nachfrage die Auslastung von Beratern wesentlich volatiler wird. Auch hierdurch geraten die Preise ins Wanken.

Kostenersparnis durch professionelles Einkaufsmanagement in der Unternehmens-IT

In vielen Unternehmen arbeiten Fachabteilungen, Einkauf und IT bei digitalen Gütern noch zu wenig zusammen. Während die einzelnen Kompetenzträger und die Buying-Center ihre zugewiesenen operativen und strategischen Ziele nach innen verfolgen, werden Marktentwicklungen und Tendenzen regelmäßig nicht in die Beschaffungsplanungen eingebunden.

Gerade bei einer Beschaffung durch Fachabteilungen führt dies dazu, dass Leistungspakete und Preise auf Basis einer sehr starken Informationsasymmetrie ausgehandelt werden. Der Einkauf wird der Chance beraubt, optimale Preise und Bedingungen zu verhandeln. Der Einkauf kommt aber auch nicht dazu, optimale Preise und Bedingungen zu verhandeln, da das nötige Know-how über die Marktgegebenheiten fehlt. Aber auch die Abstimmung zwischen Einkauf und IT sowie IT und Fachabteilung funktioniert in sehr vielen Fällen nicht optimal. Den Admins, Infrastrukturverantwortlichen etc. ist es oft zu umständlich, dem Einkauf die tatsächliche Notwendigkeit einer Investition oder die technischen Details zu erklären. Gleichzeitig verstehen IT-Verantwortliche den Bedarf bzw. die dahinterliegende Motivation der Fachabteilungen nicht.

Aber nur, wenn alle Abteilungen an einem Strang ziehen und ihre Synergien nutzen, können auf die Bedarfe abgestimmte professionelle Preisverhandlungen durchgesetzt werden. Und die, das belegen erfolgreiche Unternehmen, sind maßgeblich für ihren Erfolg verantwortlich. Wenn finanzielles Budget und technische Bedarfe von beiden Parteien verhandelt werden, können zusätzlich externe Dienstleister bei Preisvergleichen unterstützend helfen.

Quelle Titelbild: Adobe Stock / Stockfotos-MG

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