06.02.2025

Daten bestimmen, wie Unternehmen heute arbeiten, wie sie Entscheidungen treffen, Innovationen entwickeln und einsetzen. Sie sind wertvoll, weil sie Einblicke ermöglichen, Prozesse optimieren und Wettbewerbsvorteile sichern. Wer Daten besitzt, sie kontrolliert und souverän über ihren Einsatz entscheidet, hat damit einen entscheidenden Vorteil. Doch wie steht es um die Datensouveränität in Deutschland und Europa? Antworten und Lösungsansätze liefert dieser Beitrag, der in Zusammenarbeit mit Experten des Bundesverbands IT-Mittelstand, kurz BITMi, entstanden ist.

Datensouveränität, also die Kontrolle über Entstehung, Speicherung und Verarbeitung sensibler Informationen, ist heute längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Wir leben in einer datengetriebenen Welt, aber souverän entscheiden, was mit unseren eigenen Daten geschieht, können die wenigsten. Im privaten, wie im geschäftlichen Umfeld ist vielen Menschen nicht bewusst, oder schlicht egal, was mit den Informationen, die wir alle tagtäglich durch die Nutzung digitaler Dienste erzeugen, wirklich passiert. Das ist ein großes Risiko. Standortdaten, Kontaktinformationen, Gesprächs- und Chatinhalte, Nutzungsdauer, Bewegungsprofile im Netz, Zahlungsdaten – die Liste lässt sich fast endlos fortsetzen. All diese sensiblen Informationen können in den falschen Händen große Schäden anrichten.

Frau vor Laptop und Handy
Digitale Selbstbestimmung ist keine Selbstverständlichkeit: Während wir online agieren, hinterlassen wir Spuren – oft ohne zu wissen, wer sie sammelt und wofür sie genutzt werden. Der bewusste Umgang mit Daten ist entscheidender denn je. Bildquelle: Adobe Stock/ Malambo C/peopleimages.com

Auch und gerade vielen Unternehmen fehlt die Kontrolle über ihre eigenen Daten – in Europa allgemein, insbesondere aber auch in Deutschland. Azure, IBM, AWS, Google Cloud – kaum ein Unternehmen, welches nicht in der ein oder anderen Form Dienste von Cloud-Anbietern aus den USA einsetzt. Auch wenn Verträge mit der EU einen gewissen Schutz und Rahmen für die Verarbeitung der Daten gewährleisten, sind hier gespeicherte und verarbeitet Daten potenziell für US-Behörden einsehbar. Das gilt auch dann, wenn Drittanbieter zwischengeschaltet sind und unabhängig davon, wo das Hosting stattfindet.

„Angesichts immer komplexerer Unternehmensstrukturen verlieren wir zunehmend den Überblick darüber, wer tatsächlich Zugriff auf unsere Daten hat – besonders bei Dienstleistern mit internationalen Besitzverhältnissen“, weiß BITMi-Experte Lennart Schröder, Senior Broker der contego GmbH.

Error 404: Datensouveränität not found!

Unternehmen hierzulande haben damit keinen Überblick, wer auf ihre Daten zugreift und wie diese von ihren verschiedenen digitalen Dienstleistern genutzt und weiterverarbeitet werden. „Oftmals wissen Unternehmen nicht einmal, über wie viele verschiedene Datenquellen sie verfügen und wo sich diese befinden. Gleichzeitig wachsen die Risiken: Hackerangriffe, Industriespionage und politische Konflikte bedrohen Sicherheit und Vertrauen in die eigene Datenstrategie, während die ominöse künstliche Intelligenz gänzlich neue Herausforderungen schafft“, so Jannik Schumann, Geschäftsführer der basec GmbH.

Die fehlende Transparenz macht es nahezu unmöglich, die Souveränität über die eigenen Daten zurückzuerlangen. „Ohne klares Wissen darüber, wo Daten liegen und wer darauf zugreifen kann, bleibt damit auch jede Sicherheitsmaßnahme Stückwerk und Unternehmen laufen Gefahr, auch regulatorische Anforderungen zu verletzen“, warnt Schumann. Solange die Kontrolle über Datenströme und Speicherorte also in den Händen internationaler Anbieter liegt, bleibt Datensouveränität ein bloßes Schlagwort – ohne greifbare Umsetzung im Geschäftsalltag.

Die datengetriebene Welt – große Chance, noch größeres Risiko

Es waren die verheißungsvollen Chancen, die Unternehmen in diese Abhängigkeit getrieben haben. Daten ermöglichen es, fundiertere Entscheidungen zu treffen, Prozesse effizienter zu gestalten und Arbeitsabläufe durch Automatisierung auf Basis von Datenanalysen zu optimieren. Doch diese Chancen gehen mit erheblichen Risiken einher. Gelangen Daten in die falschen Hände, können sie Geschäftsgeheimnisse offenlegen, die Wettbewerbsposition gefährden oder sogar ganze Geschäftsmodelle zerstören. Und dieses Risiko steigt durch das Fehlen echter Datensouveränität.

Die internationale Verflechtung im Bereich der Datenverarbeitung und -speicherung birgt dabei immer auch die Gefahr, dass datengetriebene Prozesse im Fall von veränderten politischen Rahmenbedingungen und Konflikten vollständig zum Erliegen kommen. Gleichzeitig bergen auch Mitarbeitenden-Daten Gefahren. „Werden diese Daten für Angriffe genutzt oder missbraucht, etwa um Mitarbeitende zu erpressen, kann dies die Sicherheit eines Unternehmens direkt bedrohen. Viele Unternehmen unterschätzen diese Risiken und verfügen weder über das Bewusstsein noch über die Strategien, um ihnen wirksam zu begegnen“, so Lennart Schröder.

KI verschärft das Problem…

Das Risiko, welches die heutige datengetriebene Welt mit sich bringt, steigt zusätzlich durch die enormen Möglichkeiten künstlicher Intelligenz. KI-Systeme erkennen Muster, decken Zusammenhänge auf und generieren daraus Erkenntnisse. Während Unternehmen so von KI profitieren, indem sie Prozesse weiter optimieren und neue Geschäftsfelder erschließen, ermöglicht die gleiche Technologie potenziellen Angreifern, sensible Informationen gezielt zu extrahieren und für sich zu nutzen. „Besonders problematisch wird dies, wenn Unternehmen auf externe KI-Dienstleister angewiesen sind. Ohne eigene KI-Systeme bleibt die Kontrolle über die Nutzung und Auswertung der Daten in den Händen Dritter“, warnt Dr. Klaus Meffert, Geschäftsführer der IT Logic GmbH.

Roboter tippt auf digitaler Tafel
Unternehmensspezifische KI-Systeme bieten mehr als nur Effizienz – sie stärken die Datensouveränität. Statt Daten an offene Plattformen zu geben, ermöglichen geschlossene Lösungen eine sichere, maßgeschneiderte Nutzung künstlicher Intelligenz. Bildquelle Adobe Stock/ Vicky

Um dieser Abhängigkeit zu entkommen und Datensouveränität zu stärken, gewinnen in sich geschlossene KI-Systeme für Unternehmen an Bedeutung. Zukünftig wird Datenverarbeitung nicht mehr ohne KI vonstatten gehen – die Technologie ist gekommen, um zu bleiben. Daher sollten Unternehmen hier ansetzen und KI zu ihrem Vorteil auch in Sachen Datensouveränität nutzen. Geschlossene, spezialisierte KI-Systeme sind individuell auf die Bedürfnisse eines Unternehmens zugeschnitten und bieten im Vergleich zu offenen Plattformen wie ChatGPT, die als Generalisten agieren, einen weiteren klaren Vorteil: Sie nutzen spezialisiertes Wissen, das nur im jeweiligen Unternehmenskontext verfügbar ist, und liefern daher auch deutlich bessere und nutzbarere Ergebnisse.

…und kann die Lösung für echte Datensouveränität sein!

Für die Entwicklung solcher Systeme bieten Open-Source-KI-Modelle wie das Ende 2024 veröffentlichte Modell ‚Teuken-7B‘ des europäischen Forschungsprojekts OpenGPT-X eine praktikable Lösung. „Open Source-Modelle stehen frei zur Verfügung, sind qualitativ hochwertig und lassen sich flexibel an die individuellen Anforderungen eines Unternehmens anpassen – ohne dabei neue Abhängigkeiten von US-Anbietern zu schaffen“, sagt Dr. Meffert. „In Kombination mit dem Hosting dieser KI-Modelle und der dazugehörigen Daten in unternehmenseigenen oder explizit europäischen Rechenzentren können Unternehmen so erste Schritte in Richtung echter Datensouveränität gehen, damit sowohl die Kontrolle über die eigenen Daten behalten als auch die Vorteile von KI effizient und sicher für sich nutzen.“

Die Kontrolle über die eigenen Daten entscheidet heute über die Innovationsfähigkeit Sicherheit und Unabhängigkeit von Unternehmen. Die aktuellen Risiken – von unklaren Datenflüssen über internationale Konflikte bis hin zu den Herausforderungen durch KI – zeigen, wie dringend Unternehmen handeln müssen. Lösungen wie geschlossene, spezialisierte KI-Systeme auf der Grundlage von Open-Source-Modellen bieten eine greifbare Perspektive, um Abhängigkeiten zu reduzieren und die Hoheit über Daten zurückzugewinnen. Gepaart mit einer konsequenten Verlagerung der Datenverarbeitung in rein europäische Umgebungen kann so der erste Schritt zu echter Datensouveränität gelingen. So schaffen Unternehmen die notwendige Basis, die sie in unserer datengetriebenen Welt zukunftssicher macht.

Quelle Titelbild: Adobe Stock /  Din Nasahrudin

Dr. Klaus Meffert

Klaus Meffert ist promovierter Diplom-Informatiker und IT-Sachverständiger (aka „Dr. DSGVO“). Als Geschäftsführer der IT Logic GmbH bietet er pragmatische Software-Lösungen made in Germany mit Mehrwert und hoher Datensicherheit an. Sein Fokus liegt dabei auf… Mehr erfahren

Jannik Schumann

Jannik Schumann, Geschäftsführer der Basec GmbH, ist ein erfahrener Management Security Consultant mit mehr als 15 Jahren Expertise in der IT-Beratung. Mit umfassender Erfahrung bei öffentlichen Auftraggebern, Behörden sowie… Mehr erfahren

Lennart Schröder

Lennart Schröder ist seit über 2 Jahren im Hause contego in der Beratung von Unternehmen zur Absicherung von Cyber-Risiken und technologischen Risiken als spezialisierter Versicherungsmakler tätig. Zuvor war er… Mehr erfahren

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