15.12.2022

Seit langer Zeit als neues deutsches Wunder gefeiert, stößt Industrie 4.0 bei vielen Produktionsunternehmen auf Skepsis bis Ablehnung, weil ihre Maschinen längst nicht abgeschrieben sind und sie nicht wissen, ob oder wie sie diese anbinden sollen. Dass das aber möglich ist, zeigt dieser Beitrag.

Schätzungen zufolge wird die vierte industrielle Revolution (4IR) bis 2025 3,7 Billionen Euro an Wirtschaftsleistung erbringen. Die industrielle IoT-Nutzung (IIoT) ist dabei neben künstlicher Intelligenz und Robotik eine der wichtigsten transformativen Technologien. Mittlerweile macht sich in der mittelständischen Industrie aber fast so etwas wie „Industrie 4.0“-Verdrossenheit breit, weil vielen Unternehmen gar nicht klar ist, wie sie dieses von der Bundesregierung 2011 ausgerufene und zum Weltschlager gemachte Zukunftsprojekt nutzen sollen. IIoT ist bisher auch nur bei weniger als 30 Prozent der Industrieunternehmen so richtig angekommen.

Maschinen müssen nicht länger stumme Diener sein

In der anhaltenden Wirtschaftskrise und angesichts des wachsenden Fachkräftemangels wird es aber immer wichtiger, die Maschinen beziehungsweise ihre Daten über die Cloud „remote“ auslesen oder sogar ebenso remote steuern zu können. Predictive Maintenance ist ein vielzitiertes Anwendungsbeispiel, aber beileibe nicht der einzige wertvolle Use Case für Industrieunternehmen. Maschinen müssen eben nicht länger stumme, dumme Diener sein.

Viele Vorteile bleiben für die Produktionsbetriebe jedoch im Nebel, wenn sie nicht wirkliche Mehrwerte für sie bieten. „Und dann auch noch die Kosten!“, sagen sich viele, ohne zu wissen, dass eine Nachrüstung möglich ist.

Was viele Investitionen in der Industrie behindert, ist die Tatsache, dass die Produktionsanlagen meist Jahrzehnte alt und noch längst nicht abgeschrieben sind und bei entsprechender Wartung noch gut doppelt so lange laufen können. Vor 30, 40 oder 50 Jahren, dem Zeitpunkt der Anschaffung, war von Industrie 4.0 und

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Zum Zeitpunkt der Anschaffung vieler Produktionsanlagen, die noch längst nicht abgeschrieben sind, war von Industrie 4.0 noch keine Rede (Quelle: Adobe stock / HEMINXYLAN).

industriellen IoT- oder OPC-Anbindung von Maschinen freilich noch keine Rede. Es gab zwar schon die Möglichkeit der Parallelverdrahtung von Sensoren und Aktoren (Steuerungselementen), aber Feldbusse, die den eigentlichen Weg zur Maschinenanbindung einläuteten, kamen erst in den 1980er Jahren auf und waren lange Zeit immer noch mit sehr aufwendigen und teuren eigenen Kabelwegen verbunden. Das ist auch der Grund, warum die meisten Produktionsanlagen bis heute ihr Eigendasein fristen und so gut wie nicht vernetzt sind.

Upcycling leicht gemacht

Das lässt sich aber ändern. Und vielleicht hat auch Smart Home mit den Möglichkeiten, Geräte über das eigene Handy zu steuern, dazu beigetragen, dass das Bewusstsein dafür gewachsen ist, warum sich nicht auch große Produktionsanlagen auslesen und steuern lassen sollen. Der Generationswechsel in vielen Chefetagen tut sein Übriges.

Und tatsächlich lassen sich alte Industriemaschinen mit relativ einfachen Sensoren ohne viel Geld und Aufwand fit für Industrie 4.0 und die Smart Factory der Zukunft machen. Nachrüsten oder Upcycling ist das Zauberwort.

Und so geht es:

OEM-Upgrade ist der einfachste Weg, Altgeräten intelligenteres Leben einzuhauchen und Datenerfassungs-, verarbeitungs- und Visualisierungsfunktionen nachzurüsten. Es handelt sich dabei um IIoT-Kits, die sogenannte Original Equipment Manufacturers (OEMS) wie Bosch, SFK oder Festo für Geräte entwickelt haben, die schon lange auf dem Markt und im wahrsten Sinne des Wortes ein Dauerbrenner sind. Voraussetzung ist natürlich, dass die älteren Maschinen in etwa baugleich sind oder besser noch aus einer Baureihe stammen, was aber oft gar nicht der Fall ist, weil es sich in der Industrie sehr oft um Spezialanfertigungen handelt.

Retrofit- oder Nachrüstsätze von Drittanbietern sind eine gute Alternative, wenn der Originalhersteller keine entsprechenden Lösungen im Köcher hat oder bereitstellt. Retrofit-IIoT-Kits samt Hardwarekomponenten und SaaS-Anwendung für die Datenverwaltung der Sensoren bieten unter anderem Bosch mit dem Cross Domain Development Kit (XDK), HARTING und Krammer Technology an.

Sensoren sind in viele Produktionsanlagen schon eingebaut, liefern aber, wenn überhaupt, nur Daten bis zum Kontrollpanel. Ein Austausch mit batteriebetrieben Sensoren, die Daten über das IoT-Gateway und verschiedene drahtlose Übertragungswege wie Bluetooth, Zigbee oder Z-Wave ausgeben, ist daher sehr zu empfehlen und auch oft gar nicht so aufwendig, wie es erstmal klingt. Die wichtigsten Sensoren für Produktionsumgebungen sind solche, die das Gewicht, die Temperatur, den Füllstand, die Entfernung (Laser), Bewegung (Lichtschranke), die Vibration, Luftfeuchtigkeit, Luftkonzentration, den Schallpegel oder den mechanischen Druck messen, um zum Beispiel über das Förderband laufende Fördermengen an das ERP melden zu können.

IoT-Gateways stellen die Konnektivität her und bilden praktisch die Leitstelle zwischen den industriellen Sensoren, der Netzwerktechnologie, wobei auch immer mehr WLAN und LTE oder 5G zum Einsatz kommen, sowie in die Cloud und sind daher eine ganz wichtige Komponente für die Maschinenanbindung.

Edge Devices nah an der Peripherie (Edge) sind, oft embedded, Mini- oder Mikro-Computer vergleichbar mit dem Raspery PI, wo erstmal die Sensorendaten zusammenlaufen und vorverarbeitet werden, bevor sie über das IoT-Gateway und die Cloud zum MES- (Manufacturing Execution) und ERP-System gelangen, wo die Daten auf die Auswertung und weitergehende Nutzung warten.

Visualisierung und Analyse der Daten erfolgen über entsprechende vorgefertigte Plattformen oder über kundenspezifische Lösungen auf Basis der Cloud-Dienste von AWS, Microsoft Azure und Google Cloud. Es gibt auch End-to-End-Plattformlösungen, wie sie Axians und Actemium zur Verfügung stellen und die dank Low-Code nur wenig Programmieraufwand erfordern, um sie auf die individuellen Bedürfnisse zuzuschneiden.

Fazit und Ausblick

In der Pandemie ist vielen Industrieunternehmen erst bewusst geworden, welche Potenziale in der Digitalisierung und der IoT-Anbindung der Maschinen stecken, etwa um Fachkräftemangel auszugleichen und Kosten für die Wartung zu senken. Der Austausch einzelner Anlagen oder des ganzen Maschinenparks kommt für viele Unternehmen auch schon aus finanziellen Gründen nicht in Frage. Wie dieser Beitrag gezeigt hat, ist es oft gar nicht so schwer, Maschinen nachzurüsten, um sie auslesen und steuern zu können. So groß das anfängliche Tamtam um Industrie 4.0 um 2010/2011 war, stehen viele Unternehmen damit immer noch am Anfang. Best Practices, wie sie Axians, Actemium und andere Dienstleister aus dem IoT-Umfeld im Köcher haben, beweisen aber, dass es geht und dass es sich lohnt, die Maschinen zu vernetzen, um sie besser nutzen zu können.

Quelle Titelbild: Adobe Stock / Gorodenkoff

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