Low Code und No Code für die agilere Reindustrialisierung

Ohne Roboter geht es nicht, um Länder wie Deutschland oder Frankreich wieder zu industrieller Stärke zu verhelfen. Aber die dafür erforderlichen IT-Fachkräfte sind rar. Low-Code- oder No-Code-Entwicklung mit vorgefertigten Bausteinen könnte die Lösung sein.

Industrie 4.0 lebt von Big Data Analytics, fortgeschrittener Automatisierung, künstlicher Intelligenz, Robotik und dem Einzug des Internet of Things (IoT oder IIoT). Denn all diese neuen Technologien helfen, Prozesse nicht nur transparenter, sondern auch effizienter und schneller zu machen. In Frankreich, dem Heimatland der Axians- und Actemium-Muttergesellschaft VINCI Energies, spricht man in diesem Zusammenhang schon von Reindustrialisierung. Dabei ist vor allem Agilität gefragt.

Wie der Actemium-Manager Frédéric Boulvert, Moderator der Arbeitsgruppe für fortschrittliche Robotik im Robotik-Club seines Unternehmens, sagt, kann Frankreich „nur mit mehr Robotereinsatz reindustrialisiert werden“. Denn der Fachkräftemarkt ist weitgehend leergefegt. Allerorts fehlt es an Lagerist:innen, Ingenieur:innen, Informatiker:innen und Lackierer:innen in der Industrie, aber nicht nur dort. Durch das zunehmende Ausscheiden der Babyboomer aus dem Markt wird das Tauziehen um qualifizierte Arbeitskräfte noch lange anhalten.

Grafische Elemente statt kryptischer Endloscodes

Woran es vor allem fehlt, sind Leute mit ausreichend Programmierkenntnissen. Dabei geht es heute gar nicht mal so sehr darum, sich in älteren Programmiersprachen wie COBOL auszukennen, weil die entsprechenden Mainframes und Großrechner zunehmend ausgetauscht wurden. Moderne Programmiersprachen und Plattformen wie Java beziehungsweise JavaScript und Python sowie HTML, die heute zu den beliebtesten gehören, sind zwar intuitiver geworden, aber lange noch nicht so weit, dass sie sich jeder schnell aneignen kann.

Was tun, wenn Leute mit ausreichenden Programmierkenntnissen fehlen? (Quelle:AdobeStock/Malambo C/peopleimages.com).

Daher geht der Trend heute mehr und mehr zu Low Code und No Code in der Programmierung und Softwareentwicklung. Grafische Elemente ersetzen dabei wie bei manchen Smartphone-Apps ganze Strings von Programmcode, die für Uneingeweihte meist ein Buch mit sieben Siegeln sind.

Zu lernen, damit umzugehen und diese Grafikbausteine an die richtige Stelle zu setzen, geht relativ schnell und ist weit einfacher, als sich durch die harte Schule der Programmierung zu quälen. Denn wer es mal versucht hat, weiß, dass eine vergessene Klammer, ein Anführungszeichen oder ein Semikolon dazu führen kann, dass der ganze Code in sich zusammenfällt oder ein Zeichensalat statt des Gewünschten erscheint.

Einfache Lösung für die Robotik

Boulvert ist Innovation Business Engineer bei Actemium in Rennes, dem Spezialisten für Industrielösungen in den Bereichen Automatisierung, Robotik und dem Industrial Internet of Things (IIoT) und Industrieproduktion „as a Service“ in der VINCI-Energies-Familie. Letztere erfordert eine möglichst vielseitige Programmierung.

Aber das würde heißen, dass die IT-Fachkräfte, Ingenieur:innen oder Techniker:innen vor Ort immer wieder neue Programmiersprachen lernen müssten, die früher oder später doch wieder überholt sind. Die Lösung liegt daher in der besagten Low-Code- und No-Code-Entwicklung in der Robotik.

Die Idee dahinter ist, dass selbst Maschinenführer:innen in die Lage versetzt werden, die funktionalen Anforderungen über die grafischen Bausteine selbst zu modellieren, um die Roboter per Offline-Softwareanwendung entsprechend anzulernen. Denn mit Low Code und No Code sind keine IT-Fachkräfte mehr nötig, um den Robotern die nötigen „Handgriffe“ beizubringen, wie es bei The Agility Effect heißt.

Erste offene Systeme vereinfachen die Anwendung

In einer Fabrik sind oft mehrere Systeme verschiedener Anbieter im Einsatz (Quelle:AdobeStock/lucky girl).

Die großen Hersteller von Industrierobotern wie FANUC, KUKA, ABB und Stäubli vermarkten demnach bereits solche Anwendungen zur Planung, Optimierung, Simulation und Offline-Programmierung von Maschinen. Allerdings handelt es sich in der Regel um proprietäre Lösungen, „die nur für ihre Roboter der jeweiligen Marke geeignet sind“, wie Boulvert anmerkt.

Sind in einer Fabrik jedoch mehrere Systeme verschiedener Anbieter im Einsatz, wären entsprechend unterschiedliche Lizenzen und Schulungen nötig. Und da sind Hersteller von Vorteil, die offene Lösungen mit unorthodoxen Vertriebsmodellen und technischen Ansätzen im Portfolio haben. Dazu gehören jeweils mit Länderkennzeichen in Klammern Robocad von Siemens (D), DELMIA von Dassaul Systems (F), RoboDK des gleichnamigen kanadischen Herstellers, Kmelon von Tesseract Solutions (F) und D:PLOY von OnRobot (DK).

Zum Teil ist bereits angedacht, Industrieroboter für möglichst viele Anwendungen nutzbar zu machen, woran Industrie und Forschung schon seit den 1980er Jahren arbeiten. Die Idee eines langjährigen Forschungsprojekts in Berlin war damals, über austauschbare Module Roboter dazu zu bringen, verschiedene Fahrzeugtypen zu fertigen.

Open-Source-System für anwendungsübergreifende Nutzung

Wie Boulvert sagt, sind die meisten Low-Code- und No-Code-Roboteranwendungen auch immer noch auf einen ganz bestimmten Anwendungsbereich zugeschnitten: Palettieren, Schweißen, Teilereinigung, Abfallbehandlung. Aber das Pariser Startup Fuzzy Logic Robotics hat nach eigenem Bekunden Anfang 2023 seine No-Code-Simulations- und Programmiersoftware für Roboter samt Dokumentation und Schulungsprogrammen online gestellt. Und damit kommt Bewegung in das Open-Source-Geschehen in dem Bereich.

Dass damit Systemintegrator:innen in den Hintergrund gedrängt würden, denkt Boulvert nicht. „Für große Roboter werden wir weiter gebraucht, insbesondere bei der Instandhaltung. Offline-Anwendungen wiederum werden schnell neue Bedürfnisse schaffen, und auch in diesem Bereich können wir uns durchaus positionieren.“

Quelle Titelbild: Adobe / Kristian

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