20.10.2020

Anderthalb Jahre nach der Versteigerung der Lizenzen ist der Mobilfunkstandard der 5. Generation, kurz 5G, in Deutschland schon hier und da verfügbar. Aber wie weit sind die Anbieter eigentlich mit dem Ausbau? Und wer profitiert am meisten davon?

Schaut man sich die reinen Leistungsdaten und Latenzzeiten an, ist 5G viel schneller als LTE oder 4G. LTE-Netze erreichen Download-Geschwindigkeiten von 500 bis 1.000 Mbit, 5G liefert in der heutigen Form schon 1.000 bis 3.000 Mbit, später ab 2025 sollen es sogar 10 bis 20 Gbit sein. Aber Geschwindigkeit ist nicht alles, zumal 10 Gbit selbst bei 4K-Videostreams wie das Schießen auf Spatzen mit Kanonen wäre.

Neben der Geschwindigkeit kommt hinzu, dass laut einer Studie der Boston Consulting Group (BCG) und 5G-Anbieter.info LTE-Netze in Deutschland nur noch bis 2021 in der Lage sein werden, den zunehmenden Datenverkehr zu bewältigen. Betroffen sind vor allem Metropolen wie Berlin, München oder Frankfurt am Main. Mit 5G sollen gut 1.000 Mal mehr Endgeräte pro Quadratkilometer miteinander vernetzbar sein. Die Zelldichte ist 100 Mal größer als die 200 bis 400 Nutzer in LTE-Netzen, zeigt eine Vergleichstabelle auf ComputerWeekly.

KI und Roboterfuhrpark zur Schiffswartung

Auch in ländlicheren Gegenden soll auf 5G-Antennen umgerüstet werden. Quelle: iStock / morfous

Allerdings hat 5G auch einen entscheidenden Haken: Hohe Datenraten von über 1 Gbit/s sind nur mit hohen Frequenzen möglich, doch je höher die Frequenz, desto niedriger die Reichweite. Das Gros der im Frühjahr und Frühsommer 2019 verlosten Lizenzen betreffen den 3,6-GHz-Bereich, etwa doppelt so hoch wie das für LTE bisher genutzte 1.800-MHz-Frequenzband. Das heißt, um mit der bestehenden Technologie die von der Bundesregierung bis 2025 versprochene flächendeckende Versorgung zu erreichen, müssen mehr Sendemasten gebaut werden.

Und damit ist Ärger vorprogrammiert. Ärger oder Kritik hagelte auch, weil die zuständige Bundesnetzagentur an die Vergabe zwar strenge Vorgaben für den Netzausbau geknüpft hat, National Roaming unter anderem auf Druck der großen drei etablierten Mobilfunkbetreiber aber nicht verpflichtend gemacht hat. Wäre das zur Auflage gemacht worden, müssten die Betreiber ihre Sendekapazitäten teilen. So bleibt ein an den Enden ausgefranster Flickenteppich, befürchten manche Beobachter.

Die Investitionen und Ausbaupläne der vier Betreiber

Die Deutsche Telekom, Telefónica (o2) und Vodafone hatten bereits befürchtet, dass sich die 1&1 Drillisch AG ins gemachte Nest setzt und sie um ihre Kundschaft bringen könnte. Kritiker des Vergabeverfahrens sahen die Versteigerung der UMTS-Lizenzen vom Jahr 2000 wiederkehren: 100 Milliarden DM oder umgerechnet 50,8 Milliarden Euro landeten damals im Staatssäckel, den Betreibern fehlte das nötige Geld für den flächendeckenden Ausbau der Netzinfrastruktur, das Nachsehen hatten Bürger und Unternehmen in ländlichen Regionen.

Ganz so teuer ist es diesmal für die vier Bewerber nicht geworden, aber es reichte, um sich auch in ihren Reihen den Kritikern anzuschließen. Bei der am 19. März 2019 eröffneten Auktion standen neben den besagten 3,6-GHz-Frequenzen auch Frequenzblöcke im 2-GHz-Band zur Versteigerung bereit. Später sollen auch höhere Frequenzen im 26-GHz-Frequenzbereich (mm Wave) verfügbar sein, die wegen der geringen Reichweite aber nur für Städte und Campus-Netze von Unternehmen interessant sein dürften.

Die Deutsche Telekom hat laut Netzwelt insgesamt 2,17 Milliarden Euro investiert und vier Frequenzblöcke im 2-GHz-Band sowie neun Blöcke im 3,6-GHz-Bereich ersteigert. Bis Juli 2020 hat der Rosa Riese nach eigenen Angaben sein 5G-Versorgungsnetz auf über 3.000 Städte ausgebaut. Bis Ende 2020 will die Telekom in der Lage sein, zwei Drittel der Bevölkerung mit 5G zu versorgen.

Vodafone hat knapp 1,88 Milliarden Euro für 8 Blöcke im 3,6-GHz-Bereich und vier Blöcke im 2,1-GHz-Bereich investiert und funkte bis Juli 2020 bereits in 160 Städten mit 500 5G-Antennen. Die Versorgung erstreckt sich nicht nur auf Städte wie München, Köln, Düsseldorf oder Hamburg, sondern auch auf kleinere Gemeinden in Nordfriesland, Bayern und NRW. Bis Ende 2020 will Vodafone schon über zehn Millionen Menschen an das eigene 5G-Netz anschließen.

Telefónica hat 1,425 Milliarden Euro für zwei Blöcke im 2,1-GHz-Bereich und sieben Blöcke im 3,6-GHz-Bereich investiert. Die o2-Mutter ist damit aber erst am 3. Oktober 2020 an den Start gegangen, um zunächst die fünf Großstädte Köln, Frankfurt, Berlin, Hamburg und München zu versorgen. In einigen Tarifen soll die 5G-Nutzung kostenlos sein.

1&1 Drillisch betritt als Mobilfunkbetreiber mit eigener Infrastruktur praktisch Neuland. Das Unternehmen hat 1,07 Milliarden Euro für zwei 2-GHz- und fünf 3,6-GHz-Blöcke mit insgesamt 70 MHz bezahlt. Die Freischaltung des 5G-Netzes von 1&1 wird aber laut Netzwelt noch auf bis 2021 auf sich warten lassen.

Streit um die berühmte Milchkanne

Um das volle Geschwindigkeitspotential von 5G zu nutzen, muss erst 4G vollständig etabliert sein. Quelle: iStock / Feodora Chiosea

Derweil gab es auch schon Streit um die berühmte Milchkanne: Heise zitiert Bundesforschungsministerin Anja Karliczek mit den Worten, dass 5G nicht an jeder Milchkanne notwendig sei. Entwicklungsminister Müller sagte aber eben: „Wir brauchen 5G an jeder Milchkanne.“

Das vielzitierte Beispiel autonomes Fahren gibt ihm Recht, wobei auch 4G dafür schon reichen würde, wäre die Versorgung in manchen Regionen Deutschlands nicht so lückenhaft. Doch wem nützt 5G? Laut Heise werden 5G-Handys die Geschwindigkeit von bis zu 10 Gbit/s nicht so schnell ausreizen können, weil die ersten Netze noch auf 4G aufbauen. Der Nutzen für mobile Anwender ist daher im Vergleich zu 4G oder LTE erstmal gering. Denn die bisherigen Bandbreiten reichen wie gesagt selbst für 4K-Videostreaming völlig aus.

Wer profitiert von 5G, wer nicht?

Profitieren könnten allerdings AR-Anwendungen und anspruchsvolle Multi-Player-Spiele für Privatnutzer, weil 5G die Latenzzeiten von 60 bis 98 auf etwa 1 ms drückt. Viel wichtiger sind aber Anwendungen in der Industrie und die Unternehmenswelt allgemein.

Bei diversen Einsatzgebieten in Smart City oder IoT ist der 5G-Standard unverzichtlich. Quelle: iStock / metamorworks

Vodafone stellt auf seiner 5G-Webseite einige Szenarien vor, für die der neue Standard bald unverzichtbar sein könnte. Dazu gehören Campus-Netze, die als B2B-Anwendungsbeispiele ganz vorne stehen, Smart Factory mit Vernetzung der Maschinen und Anlagen, Smart Health wie etwa ferngesteuerte Medizinroboter, Augmented und Virtual Reality, Smart Farming und Smart City. In einigen dieser Anwendungen wird 5G je nach verfügbaren Frequenzen schneller, in anderen weniger schnell, sein volles Potenzial entfalten.

Erfahren Sie mehr über Startups für Smart City oder Smart Industry von unserem Experten Bernhard Kirchmair, Chief Digital Officer (CDO), VINCI Energies DACH & Europe East. Derweil lugt mit 6G und Wellen im Terahertz-Bereich schon der nächste Mobilfunkstandard hervor. Der Welt zufolge hat das Fachjournal „Nature Photonics“ von einem Experiment mit einer Datenübertragungsrate von 115 Gbit/s auf eine Distanz von 110 m berichtet. Forscher der New York University sprechen bei 6G schon von „Wireless Cognition“ und erwarten für 2035 laut CNN Business Übertragungsraten, die es möglich machen Roboter und KI-Anwendungen praktisch in Echtzeit über das Handy zu steuern.

Quelle Titelbild: Adobe Stock / Николай Батаев

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