Energieversorger schielen auf 450-MHz-Funkfrequenzen – lohnt sich das?
30.10.2020 | Thorsten Grunwald

Energieversorger schielen auf 450-MHz-Funkfrequenzen – lohnt sich das?

Die Vergabe der 450-MHz-Frequenzen ist strikt an kritische Infrastruktur geknüpft. Insofern hat eine neue Allianz aus Versorgungsunternehmen gute Chancen, den Zuschlag für den Erwerb der 450-MHz-Funkfrequenzen zu erhalten. Es ist nur fraglich, ob sie damit auf das richtige Pferd setzen.

Ich kann mich noch gut erinnern, wie Cisco mit 20-Milliarden-Dollar-Plänen bis 2013 Träume beflügelte, dass Smart Grids (Intelligente Netze) bald ähnliche Umsätze erreichen wie das Internet. Viele der hochfliegenden Pläne scheiterten an Kleinstaaterei. Das überarbeitete EEG der EU schreibt bei Neu- und Sanierungsbauten aber ab 2020 Smart Meters vor, womit es darauf ankommen wird, diese über entsprechende Gateways zu vernetzen.

Hier liegt meines Erachtens ein wesentlicher Nutzen der Funkfrequenzen im 450-MHz-Bereich, welche die Bundesnetzagentur in einem Bieterverfahren neu ausgeschrieben hat und um die sich nun ein 450connect genanntes Joint-Venture aus Energie- und Wasser-Versorgungsunternehmen bewirbt. Mit der Vernetzung kritischer Infrastruktur erfüllen sie auch eine der wichtigsten Bedingungen, die von der BNetzA an die Vergabe geknüpft ist. Und ich bin auch überzeugt, dass 450connect bis Ende des Jahres den Zuschlag erhalten wird.

„Manche Versorger fahren eben zweigleisig“

Dabei sollte aber nicht vergessen werden, dass es mit LoRa (Long Range) beziehungsweise LoRaWAN, dem Long Range Wide Area Network, eine konkurrierende Funktechnologie gibt, die nicht zuletzt wegen der langen Akkulaufzeiten für Smart Cities und andere Anwendungen weiter von Bedeutung sein wird. Beide Technologien haben ihre Vor- und Nachteile. Mehr dazu später. Denn interessanterweise sind die Niederlande ganz vorn dabei. So hat sich nun mit Alliander ein niederländischer Strom- und Gasbetreiber in das neue Joint-Venture eingebracht. Manche Versorger fahren eben zweigleisig.

Alliander ist als Mutter der bestehenden 450connect schon länger Frequenzinhaber und bringt nun neben 25 Prozent der Anteile auch seine Kompetenzen im 450-MHz-Bereich in das Joint-Venture ein, wobei diese Kompetenzen vornehmlich im Bereich Smart-Meter-Gateways liegen. Die anderen drei Gesellschafter sind ebenfalls zu einem Viertel beteiligt: Eines ist ein Konsortium kommunaler Regionalversorger, dann die Regionalversorger von E.ON respektive Innogy, und noch die Versorger-Allianz 450, ein Zusammenschluss verschiedener Stadtwerke, Energie- und Wasserversorger mit Beteiligung von EnBW. Es sind also durchaus große Namen mit an Bord. Und die werden sicherlich auch Gewicht haben, wobei E.ON zum Beispiel mit dem Startup Digimondo auch LoRa-Interessen verfolgt.

Etwa 1600 Funkantennen werden laut der Versorger-Allianz 450 benötigt, um ein bundesweit verfügbares 450-MHz-Funknetz zu etablieren. Quelle: AdobeStock / Zakhar Marunov.

LoRa ist also nicht vom Tisch

Das Kürzel LoRa kann übrigens auch als Low Radiation (geringe Strahlung) verstanden werden. Die LoRa Alliance spricht im Zusammenhang mit LoRaWAN von Low Power Wide Area Networks. Damit offenbart sich, wie oben angesprochen, auch schon ein wesentlicher Vorteil der Funktechnologie, insbesondere für die IoT-Vernetzung, wie sie KNP in den Niederlanden flächendeckend realisiert hat. Die ebenfalls niederländische Initiative The Things Network (TTN) rühmt sich damit, weltweit bereits über 11.700 LoRaWAN-Gateways aufgestellt zu haben, wobei Amsterdam, Zürich, Bern, der Raum Düsseldorf und Berlin zu den echten „LoRa-Hotspots“ gezählt werden können. LoRaWAN ist auch weit günstiger und leichter zu installieren als der neue Mobilfunkstandard 5G und reicht bei Smart-City-Anwendungen völlig aus. Und dass, obwohl die Datentransferrate auf 50 kbps begrenzt ist. Aber wer braucht schon Videostreams bei Smart-City-Anwendungen?

Bündelfunk gegen LoRa und vice versa

Damit komme ich nun zu den Vor- und Nachteilen von LoRa gegenüber dem 450-MHz-Frequenzblock und vice versa: LoRa ist nicht nur günstiger und weniger energiehungrig, sondern auch nicht an einen Betreiber und dessen Infrastruktur gebunden. Überdies gibt es noch relativ wenige Sensoren, die sich auf das 450-MHz-Band verstehen. Außerdem bietet LoRaWAN auch einen weiteren Vorteil, nämlich den der Datenhoheit für den Fall, dass Betreiber sich eine eigene Serverlandschaft dazu leisten.

Ein wesentlicher Vorteil des 450-MHz-Funkstandards wiederum ist der begrenzte lizensierte Bereich, womit keine Störungen durch andere Funkdienste zu befürchten sind, zumal der 450er-Funkblock vom BSI und der BNetzA ausschließlich für kritische Infrastruktur freigegeben ist. Hinzu kommt, dass ein 450-MHz-Funknetz für die hohe Datenübertragungsraten auch auf LTE-Basis installiert werden kann. Innogy, 450connect und Ericsson haben es unter anderem in einem Pilotprojekt in Dortmund schon vorgemacht. Zudem ergibt sich aus der halben Frequenz nahezu die doppelte Reichweite und eine bessere Durchdringung in die Gebäude.

Innogy, 450connect und Ericsson haben das deutschlandweit erste 450-MHz-Funknetz auf LTE-Basis in Dortmund installiert
Innogy, 450connect und Ericsson haben das deutschlandweit erste 450-MHz-Funknetz auf LTE-Basis in Dortmund installiert. Quelle: innogy SE.

Die Schwarzfallfestigkeit spricht für 450er-Band

Eines der wichtigsten Argumente pro 450connect ist die Schwarzfallfähigkeit oder -festigkeit. Für Laien, hiermit ist die Absicherung vor längeren Stromausfällen gemeint. Sollte es zu einem flächendeckenden Blackout kommen, können die Stromnetze dank der 450-MHz-Technologie schnell wieder hochgefahren werden. Mit herkömmlicher Mobilfunktechnologie wäre das kaum zu machen und die Notstromversorgung würde nur für wenige Stunden reichen.

Diese Blackout Resiliance, wie sie auf Englisch genannt wird, ist eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung der Energiewende, weshalb sich auch ein Gutachten des BMWi laut der Versorger-Allianz 450 dafür ausgesprochen hat, die Frequenzen im 450-MHz-Bereich an Energieversorger für ihre kritische Infrastruktur zu vergeben. Allerdings bietet LoRaWAN mit dem besagten geringen Stromverbrauch auch eine hohe Schwarzfallfestigkeit.

Beide Technologien haben ihre Existenzberechtigung

Aber wie von mir bereits festgestellt, haben beide Technologien ihre „Existenzberechtigung“. LoRa, oder LoRaWAN wird wegen der Vielzahl an Möglichkeiten, der lizenzfreien Frequenzen und der langen Akkulaufzeiten weiterhin für Smart-City-Szenarien von Interesse bleiben. Der weitbandige Bündelfunk, wie das 450er-Spektrum früher genannt wurde, ist vor allem für Smart Meters und den Ausbau der Energiewende mit Smart Grids von Bedeutung und wird sicherlich auch in der Fernwirktechnik Anklang finden, sprich überall dort, wo in Echtzeit größere Daten gefordert sind.

Damit kommen wir vielleicht auch dem einmal mehr aktuellen Traum von E-Autos als fahrende Batterien nahe, die den über Nacht aufgeladen und am Tage nicht verbrauchten Strom abends zu Spitzenzeiten wieder ins Netz einspeisen. Denn „bei aller Freude“ über den Atom- und Kohleausstieg fehlt mit regenerativen Energien die Versorgungssicherheit, weil Sonne und Wind nun mal keine verlässlichen Lieferanten sind und es an Kapazitäten fehlt, den daraus gewonnenen überschüssigen Strom zu speichern oder über weite Strecken zu transportieren.

 

Quelle Titelbild: iStock / Beeldbewerking

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