08.10.2021

Seit Jahren gehört es zum guten Ton, über schlechte Internetverbindungen und den langsamen Breitbandausbau zu reden. Breitband wird „ikonisiert“: als Daseinsvorsorge. Als unverzichtbarer Bestandteil im Produktionsprozess. Als Arbeitsmittel. Fakt ist: Das Thema Breitband wird nicht nur oftmals falsch verstanden, sondern regelmäßig überbewertet.

Die Menschen diskutieren über Bandbreite, superschnelle Mobilfunk- und Glasfasernetze im Gigabit-Bereich. Über Geschäftsmodelle, Streaming, autonome Fahrzeuge und Mixed Reality. In Wirklichkeit geht es darum, Daten zu besonders niedrigen Kosten extrahieren und schnell übertragen zu können. Und das möglichst sicher und qualitativ hochwertig. Manche mögen das Thema Nachhaltigkeit mit einbeziehen. Gern! Und die Praxis zeigt: Hierfür sind oft keine Breitbandtechnologien notwendig.

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Hartnäckig hält sich das Vorurteil, dass es breitbandiger Netzwerktechnologien bedarf, um bestehende Prozesse oder Organisationsformen zu renovieren, neue Geschäftsmodelle zu etablieren oder überhaupt irgendetwas „mit digital“ machen zu können – oder zu machen. Unternehmen fürchten, im nationalen und internationalen Wettbewerb abgehängt zu werden. Bürgermeister und Landräte gehen auf die Matratzen, greifen das Problem frontal und offensiv an.

Telko-Provider und -dienstleister investieren, wenn nicht staatlich gegängelt, wenn es sich für sie über einen definierten Zeitraum lohnt. So ist es kein Wunder, dass viele häufig nach dem Staat rufen, um reale und eingebildete Probleme zu lösen.

Der Staat soll den Breitbandausbau fördern. Macht er auch: Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen aus dem April 2021 werden seit 2015 rund 12 Milliarden Euro für die Förderung des Breitbandausbaus zur Verfügung gestellt; nach derzeitigem Stand. Durch Förderbescheide sind Mittel in Höhe von etwa 8 Milliarden Euro gebunden, die sich auf etwas mehr als 2.000 Projekte verteilen – der größte Teil des Geldes geht mit etwa 1,3 Milliarden Euro nach Baden-Württemberg.

Breitbandausbau Staat Digital Chiefs
Die Förderung des Breitbandausbaus kostet die Bundesregierung Milliarden. Quelle: Adobe Stock / Jörg Lantelme

Aber auch Mecklenburg-Vorpommern (1,2 Milliarden Euro) und Sachsen (1,19 Milliarden Euro) werden reichlich bedacht. Funfact #1 im Kontext: Bis jetzt erfolgte „lediglich“ ein Mittelabfluss von rund 1 Milliarde Euro. Und mit den Förderprogrammen wird der Ausbau nicht regelmäßig beschleunigt, sondern es werden oftmals nur Ausbauressourcen von privatwirtschaftlichen Aktivitäten hin zu den staatlich forcierten Breitbandausbauprojekten verschoben. Funfact #2: Die rund 2.000 Ausbauprojekte führen zu etwa 2,6 Millionen Anschlüssen für Haushalte, Unternehmen, Gewerbegebiete, Schulen und Krankenhäuser.

Yeah, yeah, yeah

Um diese Zahlen etwas besser einordnen zu können, ist mehr Kontext nötig: Laut dem Statistischen Bundesamt verfügten im Jahr 2019 fast 60 Prozent aller deutschen Unternehmen mit „ortsfestem Breitbandzugang“ und mindestens zehn Beschäftigten über einen Internetanschluss von mindestens 30 Megabit pro Sekunde. Funfact #3: Insgesamt verfügten 91 Prozent der Unternehmen mit mindestens zehn Beschäftigten in Deutschland über eine ortsfeste Breitbandverbindung. Funfact #4: In Deutschland gilt ein fester Breitbandanschluss als „schneller Anschluss“, wenn die vertraglich festgelegte Datenübertragungsrate von mindestens 30 Megabit pro Sekunde erreicht wird.

Damit lag Deutschland weiterhin im europäischen Mittelfeld und etwas über dem Durchschnitt aller EU-Staaten (54 %). Im Vergleich zum Vorjahr ist der Anteil der Unternehmen mit schnellem Internet in Deutschland um 8 Prozentpunkte gestiegen. Der EU-Durchschnitt stieg mit 6 Prozentpunkten etwas schwächer (2018: 48 %).

Tunnel

Der flächendeckende staatlich forcierte und geförderte Glasfaserausbau beziehungsweise ein Fokussieren auf Mobilfunknetze mit dem Ziel, benachteiligte Regionen hierdurch wettbewerbsfähig oder wettbewerbsfähiger zu machen, ist nicht zielführend. Das Licht, das viele am Ende des Tunnels sehen, ist nicht vom Erlöser – sondern vielmehr vom ICE, der einem entgegenkommt.

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Quelle: pixabay / Tama66

Und selbst der hat keinen stabilen, sicheren breitbandigen Internetzugang. Nicht jede Milchkanne benötigt Breitband. Vielmehr erfordert es eine Kombination der richtigen Netzwerktechnik mit den relevanten Geschäftsprozessen und Strategien.

Nur in deinem Kopf

Fakt ist: Das Problem sind die alten Kupferkabel, die noch heute in vielen Ladenlokalen, Büros, Lagerhallen sowie Fabriken liegen und nicht annähernd die gewünschten oder benötigten Geschwindigkeiten bieten, um akzeptable digitale Arbeitsabläufe sicherzustellen oder Innovationen zu realisieren. Das wirkliche Problem liegt allerdings nicht im Kabel, sondern häufig in den Köpfen der Verantwortlichen. Unternehmen in Regionen, in denen allenfalls Internetdatengeschwindigkeiten von 30 Megabit in der Sekunde belastbar nutzbar sind, können sich für Office-Produktivitätsszenarien beziehungsweise eine Filialanbindung mit Branchenlösungen behelfen: autarke Geräte und Services, die zwischen Standorten, der Cloud, dem Büro oder Homeoffice synchronisieren und lokale Netze als Beschleuniger für die Datenzugriffe nutzen.

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Drahtlose oder selbstbetriebene schmalbandinge Technologien wie 5G oder LoRaWan können eine sinnvolle Ergänzung für Breitband sein. Quelle: Adobe Stock / peshkov

In Fertigungs- oder Logistikumgebungen kann es sinnvoll sein, auf drahtlose Technologien innerhalb und außerhalb von Gebäuden zu setzen – sowohl auf schmalbandige Netzwerke als auch auf selbstbetriebene breitbandige Technologien. Wi-Fi 6 und 5G können je nach Bedarf als komplementäre Technologien für die drahtlose Konnektivität genutzt werden. Die Nutzung von LoRaWAN (Long Range Wide Area Network) – bürgernah als „weitreichendes Funknetzwerk“ bezeichnet – kann im topografischen Zusammenhang je nach Geländebeschaffenheit für kleine Datenmengen wie Sensordaten über Entfernungen von bis zu 30 Kilometern erfolgen.

Einfach sein

Die Möglichkeiten, Digitalisierung und Vernetzung zu forcieren, sind gigantisch, und die Auswahl der Drahtlostechnologien ist enorm – schmalbandige Technologien sind etabliert und zielführend. An dieser Stelle ein einfaches Namedropping: LTE-M, NB-IoT, 5G oder eine Kombination davon. Eine virtualisierte Multi-Access-Edge-Computing-Lösung (vMEC) als eine latenzarme Unterstützung für Smart-Manufacturing-Aktivitäten oder Ultra-Wideband (UWB) als eine digitale Funktechnik für den Nahbereich, die auf Basis von Einzelpulsen mit geringer Leistung in einem großen Frequenzbereich sendet.

Jede Technologie hat einzeln und in Kombination mit anderen Technologien klare Vor- und Nachteile. Das führt dazu, dass Unternehmen auch in Zukunft eine Vielzahl von drahtlosen Technologien sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens einsetzen. Anwendungsfälle, die von einfacher Konnektivität bis zur Unterstützung von Fertigungsrobotern und autonomen Fahrzeugen reichen.

Und los

Im Einzelhandel funktionieren Kassen-, Digital-Signage- und Steuerungssysteme in der Regel mit dem lokalen Ethernet- oder Wi-Fi-Netzwerk. Alternativ findet eine Verlagerung des Datenverkehrs in (selbstbetriebene) 4G-Netze statt – das entlastet lokale Netzwerke. Darüber hinaus wird durch eine Trennung des Datenverkehrs und eine angemessene Verschlüsselung eine viel bessere Netzwerksicherheit erreicht. Und wenn das noch nicht reichen sollte: Für spezielle Anwendungsfälle gibt es auch NFC, ZigBee oder RFID. Für In-Store-Transport und Logistik sowie für dutzende weitere Anwendungsfälle, bei denen auch IoT-Geräte als Endpunkte zum Einsatz kommen, bieten sich spezielle Versionen von LTE wie LTE-M oder NB-LTE und proprietäre Optionen wie Sigfox an, um Objekte mit geringem Energiebedarf drahtlos zu verbinden.

Fakt ist, dass für zahlreiche Einsatzszenarien, sei es im privaten oder gewerblichen Umfeld, breitbandige Verbindungen notwendig sind. In beiden Bereichen ist es aber kein Allheilmittel. Wichtiger wäre es, für die jeweiligen Anforderungen die richtigen Techniken und Ansätze auszuwählen.

Einsatzszenarien beim Breitbandausbau Digital Chiefs
Für datengetriebene Technologien ist oft Breitband von Nöten. Quelle: Adobe Stock / peshkov

Dafür ist auf Basis der jeweiligen Anforderungen oder Ziele ein Assessment nötig, das mit einer Ermittlung des individuellen Reifegrades des eigenen Unternehmens einhergeht. Im Kern geht es um folgende Fragen: Was will ich? Was kann ich? Was muss ich zukaufen?

Danke

Oftmals ist der Ruf nach mehr Bandbreite nur ein Versuch, eine fehlende Innovationsfähigkeit zu retuschieren. Unternehmen können auch in Regionen mit schlechter Infrastruktur sehr häufig Digitalisierungsprojekte umsetzen, zukunftsfähige Arbeitsweisen etablieren und wettbewerbsfähig am Markt auftreten. Die notwendigen Techniken, Lösungen und Prozesse sind vorhanden. Daher gilt:

  1. Es muss nicht immer Breitband sein.

  2. Manchmal muss es Breitband sein.

  3. Diesmal muss es Breitband sein.

Quelle Titelbild: Adobe Stock / Olga

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