Industrial IoT und AIoT sind im Kommen
Redaktion Digital Chiefs
Viele Unternehmen planen, Industrial IoT und AIoT, die intelligente Variante von IIoT, in ihre Fertigungsprozesse ...
Das deutsche Gesundheitssystem ist ein Bereich des Alltags, der bislang kaum digitalisiert ist. Weder lassen sich Termine flächendeckend online vereinbaren, noch werden Gesundheitsdaten zwischen Einrichtungen geteilt und so effizient genutzt. Dabei steckt in der Digitalisierung hier viel Potenzial, wie Dr. Sophie Chung, Gründerin und CEO von Qunomedical, in ihrem Expertenbeitrag zeigt.
Online-Shopping, Bezahlen per Handy statt mit Bargeld oder physischer Karte, Messaging-Apps, Arbeit im Homeoffice – nahezu sämtliche Bereiche unseres Lebens haben heute eine digitale Komponente. Wir leben in einer digitalisierten Welt, sind gewohnt an den schnellen und direkten Fluss von Informationen und die diversen Vorteile digitaler Dienstleistungen. Bis heute gibt es aber Bereiche, die kaum Anteil an der digitalen Welt haben.
Die gewohnte einfache, digitale Kommunikation endet etwa ausgerechnet dann, wenn wir krank zu Hause im Bett liegen. Denn der Kontakt zu Arztpraxen ist viel zu oft noch ausschließlich telefonisch möglich. Terminvereinbarung online? Fehlanzeige! Angesichts von Rekordzahlen bei Krankheitstagen in Deutschland und gleichzeitigem Ärzt:innen-Mangel stößt dieses System erst recht an seine Grenzen.
Statt online potenziell hunderte Terminanfragen gleichzeitig zu ermöglichen, behindert der telefonische 1-zu-1-Kontakt so eine schnelle und effiziente Patientenversorgung. Über zwei Drittel der Deutschen sind laut einer Umfrage dementsprechend unzufrieden mit der Terminvergabe im deutschen Gesundheitssystem. Das tragische dabei ist, dass digitale Lösungen längst vorhanden, aber noch nicht flächendeckend eingeführt sind. Das Bewusstsein für den Nutzen und die Vorteile der Digitalisierung für Patient:innen, Praxen und Krankenhäuser sind dabei mittlerweile bei den meisten Akteuren vorhanden.
Denn die Mehrwerte sind vielfältig: Nicht nur erhalten Patient:innen über digitale Lösungen schnelleren Zugang zu Terminen bei Fachärzt:innen. Auch die lückenlose Übermittlung von Patient:innendaten ist so möglich, was etwa zur Vorbereitung bzw. Vorqualifizierung für komplexere Behandlungen von großer Bedeutung ist. Die zentrale, Einrichtungs-übergreifende Verfügbarkeit von Informationen und Dokumenten reduziert so die Wahrscheinlichkeit von Fehldiagnosen und Behandlungsfehlern. Zusätzlich können sowohl Patient:innen als auch Ärt:innen Termine etwa mit digitalen Fragebögen besser vor- und nachbereiten. Und auch Krankenhäuser und Praxen profitieren, wenn sie ihre Auslastung und Eingriffe digital planen können. Dadurch gewinnen Prozesse erheblich an Effizienz und Ressourcen lassen sich gezielter einsetzen. Letztlich trägt das auch zu geringeren Kosten für Krankenkassen und Träger bei. Ziel ist eine komplett digitalisierte Patient Journey, die am Ende gesündere und zufriedenere Patient:innen bedeutet. Allein, es scheitert bislang an der Umsetzung.
Denn die bestehenden Systemlandschaften im deutschen Gesundheitswesen gleichen einem Flickenteppich veralteter Infrastrukturen und Geräte. Soft- und Hardware stammen teilweise noch aus den 80er Jahren, die Übermittlung von Daten und Nutzung digitaler Dienste scheitert da bereits an der fehlenden Interoperabilität zwischen verschiedenen Systemen. Diese laufen dazu vielerorts on-premise. Die Vorteile der Cloud bleiben ungenutzt, für einen Umstieg und die Modernisierung der Infrastrukturen insgesamt fehlen das notwendige technische Knowhow, finanzielle und personelle Ressourcen sowie schlicht Innovationsgeist. Der in Deutschland und Europa starke Datenschutz ist dabei ebenfalls eine Herausforderung, angesichts der sensiblen Informationen aber erstens dringend notwendig und zweitens keinesfalls ein unüberwindbares Hindernis.
Denn technische Lösungen für all dieser Herausforderungen sind möglich, wie andere, ebenfalls stark regulierte, Branchen zeigen. Daten lassen sich digitalisieren, Schnittstellen zwischen verschiedenen Systemen entwickeln, gemeinsame Standards etablieren. Nehmen wir die Banken- und Finanzbranche als Beispiel. Hier gab es bereits vor Jahren die Entscheidung für die Digitalisierung. Heute nutzen wir alle selbstverständlich Online-Banking, es gibt ein europaweit einheitliches IBAN-System und die Datenübermittlung erfolgt nach gemeinsamen datenschutzrechtlichen Standards.
Beispiele wie dieses machen Hoffnung, dass ein Systemwandel auch im Gesundheitswesen hin zu einer digitalen, Patient:innen-zentrierten Versorgung möglich ist. Die Voraussetzungen dafür sind gut. Diagnosedaten sind schließlich bereits standardisiert, durch die ICD-Klassifikation sogar weltweit. Es fehlt lediglich eine einheitliche Kategorisierung und Kennzeichnung von Daten aus medizinischen Befunden wie MRT-Scans, um sie Systemübergreifend zuordnen zu können. Durch die europäischen und nationalen Datenschutzgesetze ist zusätzlich der rechtliche Rahmen für die Verarbeitung und Übermittlung sensibler Informationen gegeben. Die EU-weit geltenden GxP-Standards und -Richtlinien gewährleisten etwa die Integrität von im Gesundheitswesen eingesetzten IT-Systemen, Verordnungen wie NIS2 geben Regelungen für die effektive Cyber Absicherung von kritischen Infrastrukturen vor.
Was es jetzt noch braucht, ist die Einigung aller beteiligten Akteure auf eine gemeinsame Strategie zur Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens sowie der politische Wille, um entsprechende Rahmenbedingungen für sowohl öffentliche wie private Investitionen zu schaffen.
Dann besteht die Hoffnung, dass in den nächsten Jahren ein digitales System etabliert werden kann, welches um die Patient:innen herum aufgebaut ist und ihre Zufriedenheit in den Mittelpunkt stellt. Das ist für alle Seiten wichtig – happy patients, happy doctors. Und nur wenn wir voll auf die Digitalisierung setzen, können wir langfristig auch Herausforderungen wie dem Fachkräftemangel begegnen und gleichzeitig von neuen technologischen Möglichkeiten wie dem Einsatz von KI oder der effektiven Nutzung von Gesundheitsdaten in der Forschung profitieren.
Quelle Titelbild: Adobe Stock/ sakon