17.08.2021

Der neue Smart City Index 2020, den der Branchenverband Bitkom jedes Jahr aktualisiert, zeigt entgegen mancher Kritik ein vergleichbar positives Bild von den Fortschritten der deutschen Großstädte hinsichtlich der Digitalisierung und Nachhaltigkeit.

Wie Bitkom-Präsident Achim Berg in seinem Vorwort zum Smart City Index 2020 schreibt, hat die Coronakrise gerade auch in den Kommunen einige Defizite bei der Digitalisierung offengelegt. Die, die zu den digitalen Vorreitern gehörten, seien aber besser durch die Krise gekommen. Diese habe aber auch gezeigt, was alles geht, „wenn es nur muss“. Im aktuellen Smart City Index, der die Entwicklung in den 81 deutschen Großstädten mit mindestens 100.000 Einwohnern bezüglich verschiedener Themenfelder beleuchtet, sieht neben Absteigern wie Stuttgart und Berlin (Platz 6 und 7) auch wahre Senkrechtstarter wie Osnabrück. Die westfälische Stadt ist von Platz 31 auf Platz 8 aufgerückt, Darmstadt um sechs Positionen auf Platz 4 im Gesamtranking.

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Top 20 des Smart City Index 2020. Quelle: Bitkom.

Digitale Verwaltung / E-Government

Bei der digitalen Verwaltung haben sich Karlsruhe und Osnabrück um 16 respektive 19 Felder deutlich verbessert und an die Spitze des Smart City Index 2020 gesetzt. Karlsruhe hat zum Beispiel über die bereits bekannten Angebote wie die Online-Terminvergabe als Pilotprojekt auch eine digital@KA genannte multifunktionale App entwickelt, um lokale Dienstleistungen von Behörden und Unternehmen zu organisieren. Deutlich verbessert haben sich im Bereich E-Government auch Düsseldorf und Stuttgart (Platz 6 und 7) sowie Braunschweig und Münster (Platz 8 und 9).

96 Prozent der Großstädte sind schon zur digitalen, papierlosen Ratsarbeit übergegangen, 9 von 10 nutzen zumindest in Teilen Dokumentenmanagementsysteme (DMS), in 49 Prozent der Städte kann man Termine online ausmachen. Aber in 17 Prozent der Großstädte gibt es noch kein E-Payment für amtliche oder behördliche Dienstleistungen. Über Mängelmelder für Schlaglöcher oder kaputte Straßenlaternen verfügt immerhin jede achte Großstadt.

IT- und Kommunikationsinfrastruktur

Im Bereich der IT- und Kommunikationsinfrastruktur ist Köln mit 82 Punkten immer noch weit vorn, München löst Hamburg auf Platz 2 ab. Stark aufgeholt haben Darmstadt und Bochum auf Platz 4 und 5 sowie Göttingen, das sich von den hinteren Rängen auf Platz 10 verbessern konnte. Ebenfalls an Boden gut gemacht haben auch Gelsenkirchen und Berlin auf Platz 6 und 7.

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Köln liegt mit 82 Punkten auf Platz 1. Quelle: Adobe Stock / metamorworks

Köln punktet beim 5G-Ausbau, mehr noch aber beim Aufbau einer urbanen Datenplattform. Insgesamt haben in den deutschen Großstädten nun immerhin 97 Prozent der Haushalte Zugang zu einem Internet-Anschluss mit mindestens 50 Mbit/s, der Glasfaserausbau geht aber nach wie vor nur schleppend voran. Und so haben im Schnitt nur 11 Prozent der Haushalte einen FTTH/B-Anschluss, ein kleines Plus von 2 Prozentpunkten gegenüber 2019. Der Anteil der Großstädte, die öffentliches WLAN anbieten, ist dagegen von 89 auf 93 Prozent gestiegen. Verbessert hat sich auch die Qualität der WLAN-Angebote bis über den Innenstadtbereich hinaus. Von 69 auf 93 Prozent stark verbessert hat sich der Anteil der Großstädte, die LoRaWAN-Gateways (Long Range WAN) einsetzen, um zum Beispiel ganz schnell Umwelt- oder Verkehrsdaten zu übertragen. In Heidelberg und Singen hat übrigens Axians, die ICT-Netwerkmarke von VINCI Energies, LoRaWAN aufgebaut. 22 Prozent der Großstädte haben auch schon eine Smart-City-Datenplattform, weitere 14 Prozent planen dies.

Energie und Umwelt

In dem Bereich ist Heidelberg vorn, nachdem im Stadtteil Bahnstadt alle Gebäude der Passivhaus-Bauweise entsprechend über Smart Meter verfügen. Außerdem hat Heidelberg in Pilotprojekten auch schon smarte Straßenbeleuchtung und smarte Müllbehälter getestet. Damit ist Heidelberg in guter Gesellschaft, denn fast jede zweite Großstadt (49 Prozent) testet schon intelligente Strommasten, wie sie VINCI Energies und die Infrastruktur-Marke Omexom mit WE-Light OPEN entwickelt hat. 36 Prozent testen auch bereits intelligente Müllbehälter. Photovoltaik ist mit gerademal 2 Prozent noch stark ausbaufähig in den Großstädten, Elektrofahrzeuge sind es mit 0,35 Prozent noch mehr, obwohl sie in München etwa bei Car-Sharing-Anbietern häufig zu sehen sind. An der Ladeinfrastruktur fehlt es nicht, denn die hat sich auf fast 5.000 Ladestationen um 60 Prozent verbessert. Erwähnenswert ist, dass 12 Prozent der ÖPNV-Busse in Großstädten bereits mit Biogas oder Strom fahren, letztere sind vor allem in Augsburg und Oldenburg zu finden.

Mobilität

In Sachen Smart Mobility haben Hamburg, München, Aachen und Berlin die Nase vorn und dazugewonnen. In der Elbestadt Hamburg gibt es zum Beispiel sehr viele Sharing-Angebote. Und mit der App „hvv switch“ können die Nutzer sehen, welches Verkehrsmittel am schnellsten ist und gleich ein Ticket kaufen. Stuttgart und Karlsruhe sind mit nur noch Platz 5 und 6 die Verlierer, stark zugelegt haben dagegen Köln, Darmstadt, Bochum und Hannover.

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Mit der App „hvv switch“ können Nutzer in Hamburg u.a. sehen, welches Verkehrsmittel am schnellsten ist. Quelle: Adobe Stock / Jacob Lund

39 Prozent der Großstädte testen mittlerweile Smart Parking, wie Omexom es zusammen mit dem Startup S O NAH an den intelligenten Lichtmasten (s.o.) ermöglicht, 47 Prozent intelligente Ampeln, 91 Prozent der Großstädte bieten schon die Möglichkeit, ÖPNV-Tickets per App zu kaufen. Der Anteil der Städte mit Bike-Sharing ist von 68 auf 77 Prozent gestiegen.

Und fast ein Viertel der Städte (23 Prozent) haben auch multimodale Verkehrs-Apps für die optimale Kombination aller Verkehrsmittel inklusive Sharing im Angebot.

Gesellschaft und E-Government

Im Bereich Gesellschaft und E-Government oder Smart Government, wie VINCI Energies es nennt, ist auch Hamburg weiter vorn, aber Leipzig hat mit 93,29 Punkten gleich dahinter stark aufgeholt. So wie in Hamburg können sich die Bürger in jeder dritten Großstadt die Ratssitzungen mittlerweile im Online-Stream anschauen. 44 Prozent der Großstädte haben eine Bürgerbeteiligungsplattform, weitere 7 Prozent planen dies. Auf 57 Prozent sehr stark gestiegen ist der Anteil der Städte mit einer transparenten Open-Data-Plattform. In sieben von zehn Städten gibt es schon ein FabLab oder einen Makerspace. Technik-Interessierte können darüber etwa mit 3D-Druckern oder Laser-Cuttern eigene Projekte starten, ohne die Geräte kaufen zu müssen. Interessant ist auch, dass 95 Prozent der Großstädte mittlerweile über Coworking-Angebote verfügen und 20 Prozent über Online-Plattformen für den lokalen Handel.

Smart Cities – Fazit und Ausblick

Im internationalen Vergleich können sich die deutschen Großstädte mit den genannten Angeboten mittlerweile auch sehen lassen, obwohl es natürlich einige Vorreiter gibt, die schon weiter sind. Singapur hat zum Beispiel vor London und Tokio in den 1990er Jahren schon eine City-Maut mit automatischer Ablesung eingeführt und war auch eine der ersten Metropolen mit „hängenden Gärten beziehungsweise vertikaler Häuserbegrünung, gefolgt von Barcelona und Wien. Paris gibt unter der spanisch-stämmigen neuen Oberbürgermeisterin Anne Hidalgo mächtig Gas bei den Bemühungen hin zu komplett autofreien Straßen. Hamburg entwickelt sich neben Berlin auch immer mehr zum Startup-Mekka für Smart-City-Projekte und gibt hier ebenfalls Gas. Es wird spannend zu sehen sein, wie das Rennen weitergeht.

Sieht man sich die Konzepte von vielen Smart Cities an bieten sie eine Möglichkeit, das Leben in Großstädten zu verbessern. Doch sind sie die Lösung für den urbanen Kollaps? Im Digital Chiefs-Beitrag „Smart Cities als Lösung gegen den urbanen Kollaps?“ gehen wir der Frage auf den Grund und zeigen spannende Projekte, die die Städte der Zukunft lebensfähiger und nachhaltiger machen könnten.

Quelle Titelbild: Adobe Stock / Felix

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