26.06.2024

Künstliche Intelligenz ist längst kein Science-Fiction-Thema mehr. Sie ist in Form einer großen Experimentierwiese in den Unternehmen angekommen. Das zeigt der diesjährige HR-Report von Hays, der in Zusammenarbeit mit dem Institut für Beschäftigung und Employability (IBE) erstellt wurde. Er belegt: Bereits über 40 Prozent der befragten Unternehmen nutzen KI-Lösungen, weitere 17 Prozent befinden sich gerade in der Umsetzungsphase.

Viele der Organisationen begreifen künstliche Intelligenz dabei weniger als Chance, ihre Innovationskraft zu stärken, sondern vielmehr als Hebel, neuen Schwung in „alte Themen“ wie Prozessoptimierung zu bringen: Sie wollen ihre Produktivität steigern und ihre Services verbessern, indem sie mithilfe der KI große Datenmengen schneller verarbeiten (34 Prozent) sowie ihre bisherigen Abläufe verschlanken (45 Prozent).

Wenn die künstliche Intelligenz in erster Linie als Prozess-Booster dienen soll, um möglicherweise im Anschluss daran mehr Freiräume und Kapazitäten für Innovationen zu haben, ergibt dieses Vorgehen durchaus Sinn. Um KI effektiv als Beschleuniger von Prozessen einzusetzen, raten Harald Huber, Managing Director Research & Development bei der USU GmbH und Marc-David Rompf, Partner bei dla digital leaders advisory, dazu, vor der Implementierung eines KI-Systems folgende Überlegungen anzustellen:

1. POTENZIALE IN DEN KUNDENSERVICE ABLÄUFEN ERKENNEN

Es ist ratsam, zunächst bestehende Kundeninteraktionen zu analysieren und zu bewerten. Das Ziel sollte sein, diejenigen Interaktionen zu identifizieren, die häufig wiederkehren und sich besonders gut für die Umsetzung durch Large Language Models eignen. Diese Modelle entfalten ihr Potenzial, indem sie wiederkehrende Dialogmuster erkennen und automatisieren können.

Analysieren Sie wiederkehrende Kundeninteraktionen, um Automatisierungspotenziale zu erkennen und die Servicequalität durch KI zu verbessern. (Bildquelle: Adobe Stock / Aoun)

Im Gegensatz zu herkömmlichen Chatbots, die möglicherweise nur auf vordefinierte Frage-Antwort-Muster zurückgreifen konnten, sind generative KI-Modelle in der Lage, auch komplexere Dialoge zu bewältigen. Es geht dabei nicht mehr nur darum, auf eine Frage eine festgelegte Antwort zu geben.

Stattdessen sollen aus dem Kunden-Dialog die potenziell benötigten Informationen extrahiert werden.

Zudem sollten Führungskräfte unabhängig von den bestehenden Prozessen im Kundenservice generell die Arbeitsabläufe (z.B. Produktkommunikation oder Vertriebsprozesse) auf Redundanzen und wiederkehrende Elemente hin überprüfen.

2. Zieldefinition auf Basis von Analysen

Um die relevanten Unternehmensprozesse effizienter und schneller zu gestalten, ist es entscheidend, das genaue Ziel der Einführung von künstlicher Intelligenz klar zu definieren. Bei der Implementierung eines Sprachmodells könnte das Ziel beispielsweise sein, den Kundenservice auf ein höheres Qualitätsniveau zu heben. Ein Fallbeispiel verdeutlicht dies: Ein Hersteller von Industriegütern plante, den Vertrieb kostengünstiger Produkte über seine Unternehmenswebsite zu automatisieren, um die Arbeitslast seiner Servicemitarbeiter zu verringern.

Hier lag der primäre Fokus auf der Effizienzsteigerung durch Automatisierung. Doch bei der Analyse der Kundendialoge stellte sich heraus, dass Kunden in bestimmten Ausnahmesituationen umfangreiche Beratung benötigten. Infolgedessen wurde die KI entsprechend angepasst, um diese Ausnahmesituationen zu erkennen. Somit wurde aus dem Ziel der reinen Effizienzsteigerung auch das Ziel einer verbesserten Servicequalität.

3. Die größten Zeitfresser und Fehler identifizieren

Um aussagekräftige Erkenntnisse zu gewinnen, bedarf es eines erheblichen Aufwands. Denn potenzielle Zeitfresser oder Fehlerquellen lassen sich am besten identifizieren, wenn sämtliche Serviceprozesse möglichst transparent sind. Allerdings sind diese oft nicht zentralisiert, sondern verteilen sich auf verschiedene Fachbereiche wie Vertrieb oder Produktmanagement. Zusätzlich gibt es oft getrennte Serviceeinheiten für digitale und analoge Produkte.

Um das volle Potenzial der KI auszuschöpfen, müssen Führungskräfte zunächst verstehen, in welchen Unternehmensbereichen langwierige und fehleranfällige Prozesse häufig auftreten. Ein guter Ansatz ist es, mit den wichtigsten Serviceeinheiten für die Hauptprodukte oder Services zu beginnen.

Erst wenn die Schritte eines Services klar definiert sind, kann das Unternehmen die relevanten Informationen für die KI bereitstellen und automatisierbare Abschnitte identifizieren.

Erkennen Sie Zeitfresser und Fehler in Ihren Serviceprozessen. Mit klarer Analyse und Definition können Führungskräfte KI zur Optimierung einsetzen. (Bildquelle: Adobe Stock / Bijac)

4. Wissensdatenbanken und CRM-Systeme sichten

Damit die neue Generation von KI-Systemen einen effektiven Beratungsdialog führen kann, ist es erforderlich, sie mit Millionen von Datenparametern zu trainieren. Dazu ist es unerlässlich, die relevanten Inhalte in einer strukturierten Wissensdatenbank zu erfassen. Obwohl Maschinen wie ChatGPT mittlerweile über ein ausgeprägtes Sprachverständnis verfügen, fehlt es ihnen an spezifischem Fachwissen, um Kunden in verschiedenen Produkt- und Servicebereichen zu beraten.

Falls im Unternehmen bereits eine Wissensdatenbank existiert, muss sie erweitert werden, um aus den Produktbeschreibungen passende kausale Zusammenhänge abzuleiten. Nur wenn die generative KI diese Abhängigkeiten erkennt, kann sie zuvor isolierte Textfragmente oder Dokumente wie Handbücher oder Kataloge in den richtigen Kontext einfügen und strukturieren. Zusätzlich sollte die KI in der Lage sein, ihre Antworten dem Sprachstil des Unternehmens und der jeweiligen Zielgruppe anzupassen.

5. Symbiose von Mensch und Maschine durchdenken

Im Kern geht es darum, das zukünftige Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine zu durchdenken. Führungskräfte sollten darauf achten, dass bei den Beteiligten nicht der Eindruck entsteht, die KI solle menschliche Arbeitskraft ersetzen. Stattdessen sollten sie verdeutlichen, wie die neue Technologie die Mitarbeiter von zeitaufwendigen Servicetätigkeiten entlastet.

Optimieren Sie Entscheidungsprozesse und integrieren Sie neue Technologien im Team. (Bildquelle: Adobe Sock / Alice a.)

Wenn Veränderungen eingeführt werden sollen und sich dadurch die Entscheidungswege ändern, sollte dies auf eine Weise geschehen, die die Serviceteams in ihrer Arbeit respektiert und unterstützt.

Es ist ratsam, zunächst die Skeptiker im Unternehmen anzusprechen. Denn oft zeigt sich, dass Sprachmodelle nur mit dem Fachwissen dieser Personen überhaupt effektiv trainiert werden können.

6. Weiterbildung: Kompetenz-Check im Unternehmen

Sowohl das Topmanagement als auch das mittlere Management sollten sich kontinuierlich im Bereich der generativen KI weiterbilden, um den Anschluss nicht zu verlieren. Dabei benötigen die operativen Einheiten in der Regel eine tiefere Detailkenntnis zu den KI-Tools als die Unternehmensführung. Die erforderlichen Kompetenzen variieren je nachdem, wo im Unternehmen die ersten Pilotprojekte mit KI implementiert werden. Wenn KI beispielsweise von der IT-Abteilung aus eingesetzt wird, liegt der Fokus wahrscheinlich stark auf Datenkompetenz und Rationalität. Wird KI hingegen im Vertrieb eingesetzt, ist die Kommunikation mit Kunden und Mitarbeitern möglicherweise wichtiger.

Quelle Titelbild: Adobe Stock / hakule

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